Freitag, 11. Mai 2012

Nelle cave di marmo a Carrara – in den Marmorsteinbrüchen von Carrara

Eigentlich war es nur als kleiner Trip in die weißen Berge gedacht, denn ich wollte Davide endlich kennen lernen und mehr über seine Arbeit erfahren. Wir kannten uns bisher nur per email und die Tatsache, dass unsere Oma Antje mit einer Bustour aus Deutschland in der Nähe war, wollten wir nutzen, um sie zu besuchen und gleichzeitig endlich nach Carrara zu fahren.
Daraus wurde ein fantastischer, nahezu unbeschreiblich schöner Nachmittag.

Wenn man über die Schnellstraße oder Autobahn kommt, nimmt man die  Ausfahrt Carrara und folgt im Ort den Schildern „ospedale“/ Krankenhaus und weiter nach Miseglia und „Fantiscritti“. Es ist immer wieder beeindruckend, wenn man in die weißen Berge hoch fährt.



Und ich vermute, es wird den Meisten so wie mir gehen: Man schaut sich den gigantischen Abbau des weißen Goldes mit gemischten Gefühlen an. Seit 200 v.Chr. werden die Berge bearbeitet und mittlerweile wird durch die moderne Technik jedes Jahr so viel abgetragen wie sonst in allen 2000 Jahren insgesamt! Ein großer Eingriff in die Natur, es werden buchstäblich Berge versetzt. Doch Riccardo sagt einfach: „Dio ci ha dato la natura per porterla usarla.“  Gott hat uns die Natur gegeben, um sie zu nutzen. Doch hier fragt man sich, nutzen wir sie oder benutzen wir sie. Naja, ein paar Berge mehr oder weniger.
Und doch ist es unglaublich faszinierend, dem Abbau zu zu sehen, die riesigen Maschinen zu sehen, das Dröhnen der Presslufthämmer zu hören, gigantische Sägen fressen sich in den Stein, Blöcke, die jeweils 35 Tonnen wiegen, liegen überall wie Legosteinchen herum. Und wenn einem ein LKW auf einer schmalen Schotterstraße mit 35 % Neigung entgegen kommt, beladen mit mindestens 2 Blöcken und  gesichert mit lächerlich anmutenden Seilchen, da stößt man lieber nochmal ein schnelles Gebet gen Himmel aus.
Comunque, wie dem auch sei, die Straße, die nach Fantiscritti hoch führt ist, wenn auch schmal aber doch asphaltiert. Wenn man oben ankommt kann man bei dem Restaurant parken. Das gehört der Familie von Davide, marmisti/ Steinmetze seit vielen Generationen. Wir begrüßen sie und sind sofort von warmer Herzlichkeit umgeben. Ehe wir uns versehen bekommen wir blaue Schutzhelme und sitzen in einem Jeep, der uns über abenteuerliche aber sichere Pisten auf 1000 m hoch bringt.



Was für ein Abenteuer! Che aventura! Sonnenbrillen sind dringend anzuraten, das weiße Gold blendet. Weit und traumhaft ist die Sicht: Unter uns befinden sich die Steinbrüche, in denen an verschiedene Stellen gearbeitet wird. Die Arbeit ist, wie in alten Zeiten, hart und schwer. Vor uns liegt das Meer und die Versiliaküste bis nach Cinque terre.  



Man muss sich vorstellen, das sich der Marmor nicht nur dort befindet wo wir ihn sehen, nämlich in den bis zu 2000 m hohen Hügelketten, die uns umgeben und die wir sehen, sondern das er sich auch bis auf 3 km Tiefe unter dem Meeresspiegel erstreckt.
Marmor ist ein Kalkstein und er läßt sich vielseitig einsetzen.
Mit Erstaunen hören wir, das heutzutage nicht mehr der Stein an sich bzw. Die Steinplatten die vielfälltig verarbeitet werden, den größten Absatzmarkt aus machen sondern vor allem die Bruchstücke. Jedes noch so kleine Stückchen wird verarbeitet, und zwar als Beistoff für Zahncreme, Scheuermittel, Wandfarbe und... Lebensmittel wie Milchprodukte, Kindermilchschnitten... Ja, guten Appetit.

Die ganzen Berge, tutte le montagne, sind mittlerweile in privater Hand. Es gibt um die 200 verschiedene Abbauplätze in den 3 verschiedenen Marmorbecken Fantiscritti, Colonata und, weniger bekannt, Torano.

Im Marmorberg von Fantiscritti arbeiten 30 verschiedene Abbaufirmen. Jede Firma baut ihren eigenen Marmor ab. Es braucht dafür etwas Glück, un po`di fortuna, denn der Marmor hat sehr verschiedene Qualitäten und natürlich ist der ganz weiße, grau oder rötlich geäderte, der Begehrteste, oder der weniger bekannte, ganz dunkelgraue Marmor.

Im Italienischen sagt man auch „giaccio/ freddo come il marmo“ – eiskalt wie Marmor.  Das merken wir als wir uns an einen großen Block lehnen, der den ganzen Tag unter der parallen Sonne liegt. Und mit der muss man in den Bergen wirklich aufpassen. Unser kleiner Luca ist so empfindlich, é così sensibile, dass er die Augen gar nicht aufbekommt. Ich gebe ihm meine Sonnenbrille. Eine Sonnencreme sollte man auch unbedingt dabei haben.


Die weißen Steine reflektieren die Sonne aber laden sich offensichltich nicht damit auf. Ein Marmorfußboden kann also im Winter eher ziemlich unangenehm werden, auch wenn er traumhaft aussieht.

Es ist über 15 Jahre her, dass ich auch ein paar Monate als Steinmetzin gearbeitet habe und ich habe die Arbeit sehr geliebt. Deshalb fühle ich mich hier in den Bergen auch so wohl.

Davide erklärt uns ganz genau wie die Blöcke gesägt werden.


Heutzutage bevorzugt man Blöcke mit den Maßen 3 x 2 x 2 m zu schneiden, die sich relativ gut ins Tal transportieren lassen. Wie das geht erzähle ich jetzt nicht so ausführlich, schließlich will ich Lust machen, selbst herzukommen. Dort werden sie dann gewogen und je nach Qualität müssen kräftige Steuern an den Staat gezahlt werden. Pro Monat werden allein in Fantiscritti 25.000 Tonnen Marmor abgebaut (in 30 von 200 Steinbrüchen!).
Dann kommen die Blöcke in sogenannte Gatterwerke wo sie mit bis zu 16 parrallel laufenden Sägeblättern in 2 bis 3 cm starke Platten geschitten werden. Diese Sägen wurde um 1815 hier erfunden.

Carrara ist nicht nur bekannt für seinen eigenen Marmor sondern auch für seinen Steinhandel mit Graniten und Marmor aus aller Welt. Egal welchen Naturstein man braucht, in den riesigen Lagern der Stadt findet man ihn. Der Scheich aus Dubbai kommt schon auch mal persönlich vorbei und wählt die Marmortafeln für seine Luxusjacht im Steinbruch selbst aus.

Es gibt noch ein anderes weißes Gold hier oben: den Lardo di Collonata.
Den muss man probieren, das ist ein MUSS.
Man kann also bei Davide eine Jeeptour buchen, die dauert circa 40 – 50 Minuten, und anschließend eine Degustation machen.
Seine Mamma, Mara, zeigt uns ihre Schätze. Zwar weiß ich ganz viel über den weltberühmten Lardo di Colonnata und seine Herstellung und erzähle meinen Gästen bei unserem Metzgerbesuch in Lari davon, aber, um ehrlich zu sein, noch nie habe ich eine der berühmten Marmorwannen gesehen. Doch zunächst serviert sie uns einen herrlichen Teller dieser Köstlichkeit mit frischem Brot und spritzigem Wein.


Das mundet köstlich. Und dann dürfen wir doch wirklich in ihre Küche und die dahinterliegende Vorratskammer schauen. Da ist sie, die Schatztruhe.


In einem circa 80 cm langen, 60 cm breiten Marmorbecken liegt unter viel Salz und Gewürzen für 7 Monate (früher bis zu 5 Jahren gelagert) der Lardo = Bauchspeck. Jede Familie hat ihre eigene Gewürzmischung dafür, Knoblauch, Rosmarin, Muskat und viele andere gehören dazu.
Normale dicke Landschweine sind die besten dafür, die haben den meisten Speck. Wird er nach 7 Monaten heraus geholt, ist er Butterweich und zergeht auf der Zunge. Ganz fein wird er geschnitten und auf frischem warmen oder kalten Brot genossen, mit Tomatenstückchen oder Zwiebeln verfeinert.
Wie lange es die Tradition der Speckherstellung in den Marmorbehältern gibt, ist unklar. Früher war er ein essenzielles Lebensmittel für die Steinbrucharbeiter, die sich früh morgens schon mit Wein, Wasser und Broten, die mit dem kalorienhaltigen Speck belegt waren, auf den mühseligen Aufstieg begaben. Oder sie bewohnten das ganze Jahr über schlichte Berghütten, züchteten dort ihre eigenen einfachen Schweine und grantierten sich so den Wintervorrat an Essen, wenn der Abstieg unmöglich war.

Leicht beschwipst (geht bei mir schon nach einem halben Glas Wein) besuchen wir noch das Museum (ist kostenlos und liegt neben dem Restaurant) und den Laden, der nette Sachen im Angebot hat. Nebenan kann man auch eine Höhle von innen besichtigen.
Wir verabschieden uns von Davide, Mamma Mara, ihrem Neffen Simone und Tante Nicoletta.

Kosten übrigens, mit meiner Bonuscard (bei mir erfragen) Jeeptour & Lardodegustation 18,-- p.P., Kinder bis 6,- Jahre 10,-- Euro, Erklärungen auf englisch und im Juli/ August auch auf deutsch. Und Kindern macht das Ganze besonderen Spaß.

Eines ist klar: Meine Führungen in Lari, in der Nudelfabrik und beim Metzger werden nun noch länger werden, denn ich muss unbedingt auch von Carrara berichten.

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