Freitag, 1. Juni 2012

Eine ganz normale Woche – una settimana normalissima

Am Abend, als ich den letzten Post geschrieben habe, hatte ich mich kaum pünktlich um Mitternacht auf meine Terrasse gesetzt, da flog auch schon demonstrativ das 1. Glühwürmchen vorbei. Das war das erste und letzte an diesem Abend, aber ich gab mich zufrieden. 
So eine toskanische Nacht kann ja ganz schön laut sein.
Eine Nachtigall sang und trillerte was das Zeug hielt. Sie machen so verschiedene Töne, dass man meint, mehrere Vögel singen.
Jui, der Froschchor ist auch nicht zu verachten. Das müssen so um die 100.000 kleine Kerle sein, die da quaken. Von Pisa hat ein Flugzeug abgehoben und bewegt sich Richtung Napoli und der Schäfer von der Käserei durchkreuzt mit dem Auto seinen Olivenhain im Schneckentempo. Das Käuzchen ruft und ein paar Tauben durchflattern die Nacht, statt in den Nischen unserer gemauerten Dorfkirche zu schlafen. Ein Nachbar fährt mit lauter Musik durchs Dorf. Einzig und allein die Fledermäuse ziehen lautlos ihre Kreise.

Anschließend zieht auch mein Mann seine Kreise… im Haus, allerdings nicht so geräuschlos wie die Fledermäuse. Er kommt gerade aus dm Schwimmbad. Ja, richtig gehört, es ist inzwischen weit nach Mitternacht, und er scheint dabei zu sein, sich ein mehrgängiges Menü zuzubereiten, italienische Zeiten eben…
Seit er sich auf die Weltmeisterschaften im Juni in Ricione vorbereitet sehe ich ihn eher selten. Unsere Treffen ähneln einem Datenabtausch von 2 Computern. Zuerst dachte ich, er fährt nur zum Zuschauen hin, aber dann schwante es mir, er nimmt doch wirklich dran teil! Soweit ich ahne, trainiert er nun 5 Mal pro Woche, ich vermute aber, dass die Dunkelziffer noch weit höher liegt. Man sieht schon an meiner Wortwahl „schwante, ahne, vermute“ in welchem Stadium der Kommuniaktion wir sind.
Braun gebrannt sieht er aus, denn nun schwimmt er im Aussenbecken (tagsüber zumindest). Ich hingegen habe keine so gesunde Gesichtsfarbe.
Wenn er nicht nachts schwimmen geht bringt er die Kinder abends ins Bett und schläft dann promt in Lucas Bett ein. Das geht nun schon seit Jahren so und kann sein, dass wir dem unsere noch exsistierende Ehe zu verdanken haben. Wenn man sich nicht sieht, kann man sich auch nicht streiten…

Aber ich wollte doch Glühwürmchen suchen… und nun sitze ich wieder hier auf meiner Terrasse. Mein Mann ist wieder, wo wohl, im Schwimmbad.
Einfach wunderbar (ich meine, hier zu sitzen) aber ob man sich bei dem Lärm konzentrieren und einen blog schreiben kann? Ich werde es versuchen, zu schön ist dieses Plätzchen hier auf der Terrasse im ersten Stock mit weitem Blick in die toskanischen Hügel, auch wenn es dunkel ist.

Wenn ich aufzählen sollte, was hier so alles in einer Woche passiert, dann muss ich meinen Kopf schon ganz schön anstrengen, denn es passiert so viel, dass ich manchmal gerade noch sagen kann was heute war und über das Gestern schon eine Weile nachgrübeln muss.

Diese Woche in Kurzform: Nonna Sofia, unsere Oma im Krankenhaus besuchen, Ständchen vom Sächsischen Bersteigerchor auf der Piazza in Lari nach viel Spaß in der Nudelfabrik organisieren, Unfall schlichten, Brautvater suchen, mein eigenes Bankkonto auf meinen Namen umschreiben lassen (!), Touristin spielen und Souvenirs kaufen in Pisa, Bootsfahrt auf dem Arno, illusterer Pizzaabend bei Fausto auf dem Weingut, Endversion Buch korrigieren, 5 kg Käse bestellen.

Von Anfang an:
Am letzten Sonntag fuhren wir auf unserem Campingplatz, um weiter aufzubauen. Im Winter wird das Vorzelt vom Wohnwagen abgebaut und der Derselbige schön verpackt.
Nun hatten wir schon wieder alles aufgebaut aber Stromanschluß, Licht, Herd und Küche mussten wieder montiert werden.
Wie es dazu kam, dass wir nun jede Saison am Meer verbingen, das ist eine andere, längere Geschichte, eine von denen, die als Drama anfängt und einem dann das größte Glück beschert. Die erzähle ich ein Andermal.

Als wir dann endlich so richtig schön am Strand lagen, und die Kinder im Meer vor Freude kreischend ihr erstes Bad unternahmen, kam die Hiobsbotschaft: Nonna Sofia, Riccardos Mama, hatte sich den Oberschenkelhalsknochen (so ein langes Wort, auf italienisch einfach „femora“) gebrochen und lag im Krankenhaus. Also nichts wie zusammen packen und ins Krankenhaus nach Lucca fahren. Montags dann die OP, gerade als ich über 80 Gäste vom Sächsischen Bergsteigerchor durch die Nudelfabrik führte. Zum Glück alles gut gegangen mit der Nonna. Und von dem Erdbeben in Norditalien gegen 9.00 Uhr morgens hatte ich auch nichts mitbekommen. Luca Martelli von der Nudelfabrik schon, er fragte mich danach, er hatte leichte Erschütterungen gespürt.
Was für eine lustige Truppe, wieviel Spaß ich mit meinen Landsleuten hatte. Mit den Sachsen, ich bin ja auch eine Sächsin, kann man die schönsten Späße machen und muss nicht aufpassen, dass man etwas Falsches sagt. Man duzt sich gleich und mir fällt immer wieder die Warmherzigkeit meiner Landleute auf. Ganz besonders beeindruckend das Ständchen auf der Piazza, oben auf der Bühne, die natürlich eigentlich wegen dem Kirschenfest da stand. Ich wollte „Brüder zur Sonne, zur Freiheit hören“, aber das haben sie nicht gesungen...

Am Dienstag war dann Gästetreffen, das jede Woche mit den Neuangereisten stattfindet und das diesmal wegen der Pfingsferien nach einer Massentourismusveranstaltung in Lari aussah. So viele nette Gäste kamen, oder kamen auch nicht. Ein Pärchen war nämlich in Cevoli bei Lari, hängen geblieben. Ein älterer Mann war rückwärts gefahren und natürlich in ihr hübsches Auto hinein. Sie brauchten nun telefonisch Hilfe. Ich konnte mir die Szene bildlich gut vorstellen, mit dem deutschen aufgeregten Paar, die kein Wort italienisch sprachen, zwischen den gestikulierenden Dofbewohnern. Zum Glück war das Ganze in Cevoli passiert, wo ich ein paar Jahre gelebt habe und so riefen mich nacheinander einige Dorfbewohner, die mich natürlich gut kannten abwechselnd mit den Deutschen an, während ich versuchte, die Fragen meiner Gäste zu beantworten. Nach der Pastadegustation fuhren wir dann in die Karosseriewerkstatt wo die Unfallverursacher schon standen und man konnte sich schnell und freundlich einigen. Oberstes Gebot in solchen Situationen: Freundlich lächeln! Sonst geht gar nichts mehr in Italien.

Noch nicht der Aufregung genug, machte ich zwischendurch mal wieder den Versuch, einen Brautvater für Sandra zu finden, die nächste Woche hier in Lari heiratet. Sie hatte mich gebeten, weil sie keinen Vater mehr hat, einen älteren Herren aus Lari zu finden. Nun konnte ich ja nicht ahnen, welche Gemütsbewegungen man mit einer so harmlosen Frage bei Italienern auslöst. Obwohl, natürlich hätte ich es mir denken müssen. Eine Braut zum Altar (wenn auch in diesem Fall zum Standesamt) zu führen, das bedeutet nicht nur, sie die 92 Stufen zum Castello hochzubringen, das bedeutet viiiel mehr.
Silvano kann das nicht machen, denn er war bei der Hochzeit seines Sohnes nicht mal anwesend. Roberto hat seine sehr hübsche Tochter noch nicht verheiratet, die schon älter ist als ich, scheidet aber nicht nur deshalb aus, sondern auch weil er die vielen Stufen hinauf zum Castello nicht schafft. Nicola hat keine Kinder, obwohl er es sich so sehr mit Grazia gewünscht hätte, aber er sieht so schlecht, dass auch er es sich nicht zu traut. Cesare, aus der Autowerkstatt, Mitte 80 aber superfit käme infrage aber er ist etwas zu klein. Gigi, Luigi, der Papa vom Friseur, sitzt vor seinem Friseurladen und auch er lehnt ab, er hätte nur die Braut seines Cousins mal zum Altar geführt, aber das wäre eben engste Familie gewesen. Ich überlege hin und her, spiele in Gedanken alle infrage kommenden älteren Larigiani durch. Während ich noch so vor mich hin grübele, kommt endlich der rettende Anruf: Es ist Gigi und er sagt zu. Urra, urra, hurra, hurra. Auch dieses Problem hätten wir gelöst.

Als nächstes gehe ich zur Bank. Ich möchte zu Miriam(Klamottenladen in Lari mit superschönen italienischen Designersachen) und zu Giovanni (Schmuckladen in Lari) shoppen gehen. Nun, wer mich kennt, weiß, dass ich selten shoppen gehe, aber es steht eine Reise nach Spanien zu meiner Familie an (ja, ja, ich habe spanische Vorfahren, aber das ist wieder eine andere Geschichte) und deswegen muss ich einfach mal wieder in Lari einkaufen gehen. Ich möchte ja schließlich bei meinen Verwandten eine bella figura machen. Ich mag am Liebsten meine kleinen beschaulichen Geschäfte, aber so klein wie sie sind, Qualität kostet und so will ich mein Sparbuch plündern. Das habe ich seit 13 Jahren hier und es sind so relativ beständig immer stolze 200,-- Euro drauf. Doch man verweigert mir die Herausgabe: Das Sparbuch wäre gar nicht Meines. „Ist ja Interessant“, denke ich mal wieder. Nein, das Sparbuch würde meinem Mann gehören, ah ja. Mein Mann hatte 1 Mal, als ich während meiner Schwangerschaft gehunfähig wegen 22 kg Gewichtszunahme war, mit meiner Vollmacht etwas Geld abgehoben und schwups war es sein Sparbuch. Tja, das mit dem Shoppen war an dem Tag nichts, ich musste ihn nämlich erstmal 3 Bögen ausfüllen und von meinem Mann unterschreiben lassen, dass er mir MEIN Sparbuch wieder zurück überträgt. Sehen wir es positiv: Man stelle sich vor, wir würden inzwischen in Scheidung liegen und auf dem Sparbuch wären 20.000 Euro gewesen. Kann man doch froh sein, dass es nur 200 waren, wir uns so gut verstehen (sollten wir usn mal zufällig über den Weg laufen) und dass es nur 2 Tage gebraucht hat, bis ich an mein Geld kam...

Bei Giovanni kaufte ich mir dann also eine wunderschöne Silberkette und bei Miriam ein Kleid und ein romantisches Oberteil. Den Rest des Geldes verschleuderte ich an den Souvenirständen auf der Piazza dei Miracoli in Pisa, das ist der Platz mit dem schiefen Turm. Eigentlich wollte ich vor einer Bootsfahrt auf dem Arno, die ich erstmals als Neuigkeit für meine Gäste ausprobieren wollte, ins Museum gehen, genauer gesagt auf den Friedhof (wieder eine andere Geschichte). Doch ich blieb an den Souvenirständen längs der Piazza hängen und kaufte Mitbringsel für meine spanische Familie, Olivenöl in Glasflaschen mit der Form des schiefen Turms, Küchenschürzen mit Pasta drauf in italienischen Farben (zu spät fiel mir ein, dass es in meiner Familie Dienstmädchen und Köchinen gibt, die Damen des Hauses kochen gar nicht selbst, dann bekommen sie eben die Köchinnen), Pinocchios für die Kinder und Reiseführer über die Toskana auf spanisch. Und tolle Ledertaschen gibt es dort auch! Dann verstaute ich alles fein im Auto und begab mich zum Arno (Das ist der Fluß, der Pisa durchzieht, keine Mann!).


Einen Cappuccino an der Ponte di Mezzo, das musste sein. Da gesellte sich Rocco zu mir, ein älterer, furchtbar schwerhöriger Mann mit dem ich mich eine Weile über das bevorstehende Lichterfest in Pisa, die luminara, und das „gioco del ponte“, das Spiel auf der Brücke, anschrie.

Und dann ging es aufs Boot, aber das erzähle ich beim nächsten Mal, denn es ist schon spät, morgen wollen wir ans Meer, ist ja Nationalfeiertag - festa della repubblica - morgen hier, und.... pssst, heute schläft das 1. Mal ein Mädchen bei uns, die Freundin von meinem großen Sohn. Ui bin ich aufgeregt, süß sieht die aus und endlich mal ein Mädchen im Haus, wo ich immer von 4 „Männern“ umgeben bin, und süß ist mein großer Sohn und sooo lieb. Ob das so bleibt? Was für ein Traum – che sogno!

Okay, neue italienische Wörter fehlen heute etwas im Text, die gibt es übermorgen, scusate, verzeiht mir.  Ja, und vom Pizzaabend beim Fausto und warum wir wegen des Erdbebens Parmesankäse bestellen, muss ich auch noch erzählen... Und mein Buch ist heute endlich in den Druck gegangen. Ich freue mich so und bedanke mich hiermit auch für die zahlreichen Bestellungen und so lieben Worte von Vielen. Eigentlich ein Grund zum Anstoßen! Aber allein?

1 Kommentar:

  1. Alleine anstossen ! Selbstverständlich nicht, in Gedanken sind wir bei Dir !

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