Dienstag, 26. Juni 2012

Oggi si parla della Spagna – heute reden wir mal (ausnahmsweise) über Spanien

Nun habe ich Euch eine Weile warten lassen und ich bedanke mich für die Geduld. Da es aus Italien nichts Neues zu berichten gibt, hier also meine Reiseerlebnisse aus Spanien. Die haben zwar nicht unmittelbar mit Italien zu tun aber immerhin änderte sich dort vor vielen Jahren mein Leben und hat mich letztendlich hierher geführt.
Spanien, endlich mal Urlaub (was man so Urlaub nennt, denn heutzutage ist man ja immer per Handy oder Computer erreichbar, aber ich würde es mal als Segen bezeichnen).

Wir werden auf den Spuren unserer spanischen Vorfahren wandeln und auch von dieser Seite her wird es kein reiner Erholungsurlaub werden. Ich freue mich riesig darauf, meine Verwandten nach 25 Jahren wieder zu sehen. Meine Mam ist mit dabei und Felix, mein großer Sohn. Ich möchte ihn an der „Wurzelsuche" teilhaben lassen.
Die ersten Tage verbringen wir in Madrid bei Antonio, dem Cousin meiner Mutter, und seiner Frau Carmen. Wir wohnen in einem 17-Geschosser in einem Altneubauviertel, der eigentlich nicht sehr schön ist aber innen riesige Wohnungen bietet in denen man sich verlaufen kann. Die Madrilenen, denen es etwas besser geht, scheinen alle ein Dienstmädchen zu haben. Das gefällt ganz besonders Felix (nicht das Dienstmädchen sondern der „Umstand“ sich bedienen zu lassen. Herrlich, sich an den Tisch setzen und man braucht nicht mal „Tischlein deck Dich“ zu rufen.
Tagsüber ziehen wir allein los und morgens und abends speisen wir ganz ausgiebig in Familie. An die veränderten Essenszeiten, Frühstück um 10.30, Mittagessen ab 14.30 und Abendessen nicht vor 21.30 gewöhnen wir uns schnell. Herrlich ist es, faul zu sein. Ein besonderer Genuss für eine Mutter von 3 wilden Jungs.

Das Metronetz ist bequem und schnell durchschaut und wir geben uns ganz dem Touristensein hin und nehmen 2 Tage lang einen hopp in hopp off Stadtführungsbus. Auf dem Programm stehen außerdem das Prado-Museum und das Mncars (Museo nationale centro reina Sofia) wo ich mir unbedingt das riesige Guernika Gemälde von Picasso noch mal anschauen möchte. Das hatte mich schon vor 25 Jahren so beeindruckt. Es ist das einzige Werk von Picasso, das politischen Hintergrund hat, und es wurde noch im Jahr 1937 gemalt, in dem bei der Bombardierung durch die deutsche Division Condor das ganze Dorf und einige umliegende Orte dem Erdboden gleich gemacht wurden. Und da stehe ich davor und ahne noch nicht, dass mich diese Geschichte in einigen Tagen noch viel mehr angehen und berühren wird.


Während ich mir das Bild genau anschaue, weiß ich jedenfalls noch nicht mal wo dieser Ort eigentlich genau in Spanien liegt.
Einen Abend verbringen wir ganz in Familie. Ungefähr 30 Leute kommen, von denen ich circa 10 kenne und wir bemühen uns mit nicht allzu großem Erfolg, uns die Namen der 3 Generationen und ihre Geschichten zu merken. Es ist ein entspannter Abend in einem Vorort von Madrid bei Tapas und warmherzigen Gesprächen (falls man das Kauderwelsch aus spanisch, italienisch, englisch, Händen und Füßen mit Hilfe von Vinto Tinto so nennen kann).


Ein Abend Flamenco in der Altstadt darf nicht fehlen. Es ist nicht der Flamenco wie vor 25 Jahren, der mich durch seine Dramatik so in den Bann zog. Er ist leichter, oberflächlicher und leichter konsumierbar geworden aber das tut einem herrlichen Abend mit Carmen und Antonio keinen Abbruch.


Wir bummeln anschließend zur Plaza Mayor und zur Puerta del Sol, um Mitternacht voll mit Menschen. Es ist sommerlich warm und mir gefällt überaus, dass sich das Leben hier draußen abspielt, wenn in Deutschland und ja, auch in Italien, schon längst die Bürgersteige hoch geklappt werden.
Das Stadion von Real Madrid anzusehen ist Pflichtprogramm, zumindest für Felix, und so sieht Mama Dinge, die sie sonst nie in ihrem Leben gesehen hätte, ein Fußballstadion von A – Z.


 

Einen Abend verbringen wir mal kurz in Italien, denn wir haben Freunde, die in der italienischen Botschaft arbeiten und so sind wir, kaum, dass das Tor zu ist, auf italienischem Boden, bzw. einer italienischen Terrasse mitten in Madrid. Felix schaut Fußball mit einem halbnackten Carabiniere (na ja Shorts hat er an, aber ich kann mir nicht verkneifen zwei Mal hinzuschauen, wann sieht man schon mal einen Carabiniere in Shorts). Es scheinen 2 Spiele parallel zu laufen, jedenfalls schreien abwechselnd rechts die Spanier halb hysterisch was das Zeug hält und dann wieder links die Italiener ganz hysterisch. Dabei fällt uns doch auch da der kulturelle Unterschied auf und wird von unseren italienischen Freunden noch mal bestätigt: Die Spanier sind leiser und benehmen sich besser als die Italiener, sind unkomplizierter und tiefgründiger. Horch, horch.

An einem Tag geht es nach Toledo, der Stadt in der sich vor 25 Jahren mein Leben änderte, in einer Minute, mit wenigen Sätzen, die mir durch den Kopf schossen: „Hier ist es so wunderschön. Es kann nicht sein, dass ich hier vielleicht nie wieder hin darf. Ich muss irgendwie aus dem Osten raus.“ Na ja, wie es weiter ging steht ja in meinem Buch, dass einige von Euch inzwischen schon gelesen haben.


Nun stehe ich also endlich wieder hier (nach 25 Jahren obwohl ich schon viel eher wieder her gekonnt hätte, wie eigenartig), genieße die traumhafte Aussicht vom Paradores über die Stadt bei einer Orangenlimonade, mein großer Sohn ist dabei und alles aber auch alles in meinem Leben hat sich geändert.
Wir essen Paella auf der Plaza und besichtige die Kathedrale. Die Rückfahrt wird abenteuerlich denn die Fahrkünste unserer Carmen veranlassen uns des Öfteren zu hysterischen, überaus italienischen Schreien, was aber weder sie noch Antonio aufgrund ihrer Schwerhörigkeit mitbekommen. Seelenruhig plaudern sie während wir in Todesängsten schweben und schweißgebadet trotz Klimaanlage das Auto verlassen. Es ist noch mal gut gegangen. Alle Heiligen, die ich angebetet habe, haben ganze Arbeit geleistet und bei den 16 Unfalltoten in Spanien an diesem Wochenende sind wir zum Glück nicht dabei.

Und nun geht es der Einfachheit halber tagebuchartig weiter…

Dienstag 19.06. Bilbao
Fahrt mit dem Zug nach Bilbao. Vor dem Einsteigen wird das ganze Gepäck durchleuchtet wie auf dem Flughafen, wahrscheinlich wegen des Attentates islamistischer Fundamentalisten 2004, bei dem Vorstadtzüge von Madrid in die Luft gesprengt wurden.
Alfredo, ein weiterer Cousin meiner Mutter, und seine Frau Begoña holen uns ab und sind auf Anhieb sehr sympathisch.
Bilbao mutete vom Zug aus als Industriemoloch aus und entpuppt sich beim Durchfahren als interessante Hafenstadt mit bizarren Häusern, viel Wasser und klassizistischem Charme, modernen Guggenheim Museum und schmalen Alleen.

Alfredo erzählt begeistert über diese Stadt, der Stadt seiner und unserer Vorfahren, vom Großvater Schulze und der Villa auf dem Lande, in der er mit seiner spanisch-deutschen Familie lebte, und von meinem Opa Gerhard der von seiner deutschen Firma Meier und Weichelt hierher geschickt wurde, um Geschäfte in der Stahlindustrie zu tätigen, und der sich alsbald in meine Oma Teresa verliebte.
Die ganze Familiengeschichte durchziehen Geschichten um Liebe zwischen den Nationen, Kriege (der spanische Bürgerkrieg und der 2. Weltkrieg, den der deutsche Teil der Familie der ausgebürgert wurde, in den Luftschutzkellern in Leipzig verlebte), Tod in den Schützengräben, Spionage, Nationalstolz, aufregende Familienerzählungen. Schwierig alle Familienmitglieder zuzuordnen und die Geschichte auseinander zu halten. Kaum möglich, sich die Namen der Familienmitglieder aus der Jetztzeit zu merken, kaum möglich, die Verstorbenen auseinander zu halten. Und doch sind gerade diese Geschichten so interessant, von der Ururgroßmutter, die ihre Kinder und 6 Kindeskinder in der Villa in Amorebieta mit Hilfe von 3 Dienstmädchen aufzog. Sie war eine mächtige Persönlichkeit, die wenn sie sich an den Tisch setzte nicht den Stuhl an selbigen ran schob sondern den ganzen schweren Tisch zu sich zog und somit alle, die bereits saßen dazu zwang, sich einen neuen Platz am Tisch zu suchen.
Sie hatte ein weißes Beutelchen unter ihren Röcken versteckt, in dem sie ihre Schätze versteckte und wo so manches darin verschwand und nie mehr gesehen ward. Die Tiere liefen zur Fütterzeit alle im Gänsemarsch hinter ihr her und als sie 80 war bekam sie einen schwarzen Schal geschenkt, den sie sich weigerte zu tragen weil sie fand, dass sie damit alt aussah. Auch trug sie, aufgrund ihres für eine Spanierin ungewöhnlich fein ausgefallenes Haares, eine Perücke, die ihr immer verrutschte wenn sie sehr aufgeregt war. Dies trug sehr zur Belustigung ihrer Nichten und Neffen bei.
Wir wohnen in Getxo, dem Nebenort von Bilbao, der immerhin 80.000 Einwohner hat, in einem ganz netten Hotel Maitena. Der Ort liegt direkt am Meer in einer Bucht mit faszinierender Klippen- und Großstadthafenromantik.
Wer mich kennt, dem brauche ich nicht zu erklären womit ich die erste Nacht zubringe… mit dem Kampf mit der Bettdecke. Die spanischen sind genauso wie die italienischen und es gelingt mir mal wieder nicht, die 4 losen übereinandergelegten Decken (1 Betttuch, 1 Wolldecke, 1 weiße Überdecke, 1 gelbe Überüberdecke) in Einklang zu bringen, das übliche Geziehe und Gezerre dauert die ganze Nacht an, Lösung nicht in Sicht (mit Ryanair konnte ich nun wirklich nicht meine Federdecke mitbringen…).
Mittwoch 20.06. Fahrt an die Küste und nach Gernika
Wir fahren an der baskischen Küste entlang und genießen die schöne Aussicht in Bakio auf San Juan del Gaztelugatze, einem ehemaligen Templerorden.



In Bermeo spazieren wir im Hafen, bewundern die netten hohen und bunten Häuser, saugen den Duft des Meeres in uns auf und staunen über die vielen Fische die sich bei Ebbe im Hafen tummeln.
Weiter geht es nach Mundaka und wir essen Tapas auf der Terrasse eines kleinen Hotels im Hafen. Es ist fantastisch, so zu essen. Die spanische Küche, leicht und mit diesen leckeren, kleinen, vielseitigen Häppchen gefällt mir ausgesprochen gut. Wir reden über das Baskenland mit seiner so komplett anderen Sprache, über die Separierungswünsche, über die Unterdrückung unter Franco, über die ETA.
In Perdernales, einem kleinen Ort, schauen wir das Geburtshaus von Alfredo an, in dem auch seine Frau Begoñia viele Sommer verbracht hat, ohne das sie sich dort je begegnet wären. Sie lernten sich in Vitoria kennen und stellten dann fest, dass sie im gleichen Haus aufgewachsen waren.
Vor dem Haus war damals, bevor es wegen der Eisenbahnstrecke „umgelegt“ wurde, direkt das Meer und man stieg in ein Boot und setzte zum Strand oder zur Insel über, die wir nun gemütlich besichtigen.
Im Nebenhaus des Wohnhauses befand sich das Restaurant von Begonias Oma „La Taberna El Chato“ (die Nase) im Erdgeschoß und darüber ein Hotel, das ebenfalls ihnen gehörte.
Begona zeigt auf eine schöne Villa auf der anderen Seite von ihrem Haus….

Das da, sagt sie, in dieser Villa war der Sitz vom Generalstab der deutschen Fliegerstaffel Il Condor. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, zu sehr habe ich die Geschichte von der kompletten Zerstörung Gernikas präsent… Dort?
Ja, so erzählte Begonias Abuela/Großmutter immer ihren Kindern und Enkelkindern, die Deutschen aßen jeden Morgen in ihrem Restaurant Tonnen von Rührei mit Bratkartoffeln zum Frühstück.
Planten sie dabei diese grausige Bombardierung?
Mein Vater, so erzählt sich weiter, arbeitete als Autotechniker in Gernika, als der Überfall geschah, er überliebte und half den Anderen. Das war am 26.04.1937.

Weiter geht es nach Gernika. Der Ort ist uns ja bisher nur durch das Picasso Bild von der Bombardierung Gernikas durch eben diese deutsche Division Condor bekannt und so denken wir nur an das Eine, als wir dort ankommen. Aber zu unserem Erstaunen geht es ins Euskal Herria Museum, in einem wunderschönen Herrenhaus mitten in der Altstadt gelegen.
Es ist das einzige Haus, das zusammen mit der Kirche die Bombardierung überstand bei der ansonsten das ganze Dorf dem Erdboden gleich gemacht wurde.
Ganz wichtig scheint den Basken der Baum von Gernika zu sein unter dem so manche für die Basken wichtige Entscheidungen getroffen wurden.


Eher etwas erstaunt ist unsere Familie, als wir danach fragen, auch das Museum zur Bombardierung Guernikas zu sehen.
Gernika ist heutzutage eine freundliche Stadt, in grünen Hügeln gelegen.
Gernika Museum – das Friedensmuseum

Als erstes stoßen wir wieder Erwartens auf italienische Spuren. Guilelmo Sandri, gebürtig aus Merano, haben wir die große Zahl der Fotos zu verdanken, mit denen man nun die Grausamkeiten, die unter Franco mit der Divison Condor und Mussolinis Truppen (meistens ist nur von den Deutschen die Rede, aber Mussolini war auch dabei) begangen wurden. Unglaublich, dass ein General sein eigenes Volk bombardieren lässt.
Besonders beeindrucken muss der Raum sein, der 8 Minuten über die Greuel dieser Tat berichtet. Da sich die Türen automatisch schließen und ich Platzangst habe, flüchte ich raus. Meine Befürchtung ist außerdem groß, dass ich zu sensibel für Details bin, denn ich erlebe Geschichten oft, als ob es meine eigenen wären und leide fürchterlich unter den Greueltaten in dieser Welt, weshalb ich mich eigentlich auch fern von solchen Berichten halte. Mit Gernika ist das anders. Ich spüre, dass ich und meine Familie unmittelbar mit dieser Geschichte zu tun haben und ich mich ihrer nicht entziehen kann.
Alfredo meint plötzlich, auf einem der Fotos seinen Vater mit selbigen Namen wieder zu erkennen, der für General von Richthofen wohl übersetzt hat.

Auf dem Foto dürfte er 22 Jahre alt sein. Ernst und eher klein steht er hinter den 2 Generälen, die für das Massaker mit verantwortlich sind. In der Familie ist es ein offenes Geheimnis, dass er aufgrund seiner guten Deutsch- und Spanischkenntnisse Spion war. Die Geschichte wieder holt sich später mit seinem Cousin, der für die Stasi spioniert hat.  Alfredo kam jedenfalls damit später nicht klar und fing an zu trinken. Erst 38 Jahre jung stürzte er eine Treppe herunter, wiederum munkelt die Familie, dass es die Wirtshaustreppe war und er starb, seine junge Frau mit 3 Kindern hinter lassend. Sein Sohn Alfredo war damals erst 8, seine Schwester Eugenia  5 und die andere Schwester Marilu 9 Jahre alt. Man schrieb das Jahr 1952 in Spanien. Die Frauen meiner Familie konnten damals, wie wohl die meisten, nicht viel außer kochen, Haus und Kinder versorgen und vielleicht Klavier spielen oder sticken oder stricken. Mercedes musste nun ihre Familie allein durchbringen.
Lange reden wir beim Abendessen, Tapas und Cervezza über die Ereignisse. Was für eine Familie!
Gut tut der Spaziergang auf den Klippen am Meer die gleich hinter meinem kleinen, süßen, Hotel Maitena beginnen. Wer hätte das gedacht, das Meer zum Greifen nahe hinter diesen Neubauten.


Und was für eine schöne rötliche Farbe der riesig breite Strand hat. Obwohl überall Häfen und Leuchttürme zu sehen sind, kann man in dem klaren Wasser baden. Hier oben auf dem Plateau befindet sich eine alte Mühle, es fehlen nur noch Don Quichote und Sancho Pansa, die um die Ecke kommen. Breite Wiesen säumen den Weg und es gibt einen TrimmdichPfad, den ich belustigt und wohlweislich aus der Ferne beäuge. Vielleicht hätte ich ihn eher mal nutzen sollen, denn ich scheine ob des guten spanischen Essen aus meinen Jeans zu platzen, und das, obgleich sie elastisiert sind.
Donnerstag, 21.06.2012

Der nächste Tag führt uns auf die Spuren von meinen deutschen Opa Gerhard und meiner halbspanischen Oma Teresa, der ich auch meinen ersten Namen zu verdanken habe (Teresa Kristina, so mein eigentlicher Name) die sich im deutschen Club im Hotel Carlton in Bilbao kennen lernten.
Wie vornehm hier alles zu geht. Ich kann mir richtig vorstellen, wie Teresa mit langem Kleide, schüchtern, gutsituiert und mit dem typisch spanisch feinem Humor auf meinen gebildeten und etwas reservierten typisch deutschen Opa traf. Hier werden sie vielleicht ihren ersten Kaffee zusammen getrunken und sich verstohlene Blicke zu geworfen haben.


Die Familie meiner Oma war damals schon am Beginn ihrer Verarmung, da ihr Vater, statt weiter seiner hochdotierten Arbeit nach zugehen, anfing sich seinen Erfindungen und einer Geliebten zu widmen. Leider hatte er wenig Glück damit, zumindest mit den Erfindungen und aus war es mit Villa, Dienstmädchen, Klavierspielen und Luxus. Die Mädchen wurden mehr oder weniger glücklich verheiratet, der Sohn Paco blieb im Krieg, der andere schon genannte Sohn Alfredo stürzte von der Treppe in den Tod.

Meine Oma Teresa heiratete 1936 nach Deutschland und einige ihrer Familie wurden, wie alle Deutschen oder Halbdeutschen, während des Bürgerkrieges in Spanien nach Deutschland ausgebürgert und landen im deutschen 2. Weltkrieg im Luftschutzkeller in Leipzig. Welch Graus!
Noch aber wandeln wir auf ihren Spuren in Bilbao im reichen Hotel und dem benachbarten Wohnhaus der Familie. Das marmorne Treppenhaus ist aufwendig geschmückt, wir sehen die Taufkirche der Urgroßmutter und das Barrio, das Viertel, in dem alle lebten.
Wir finden sogar eine deutsche Metzgerei, die es zu Oma`s Zeiten auch schon dort gab. Vielleicht hilft diese Wurst beim Abnehmen?


Am nächsten Tag wird es nach Amorebieta gehen, zurück zu den schönsten Zeiten in der spanischen Villa, die wir suchen werden weil keiner mehr genau weiß wo sie steht, weil die Straßennamen sich inzwischen geändert haben.
Wir essen, Tapas in der Casa Victor Montes auf der Plaza vom Casco Viejo, und was für Tapas: Belegte Brote mit dicken Cremes aus Jamon, Schinken, Porree, Thunfisch, Ei, Bacala/ Stockfisch, Sardellen, einfach fantastisch. Schon wegen der Küche ist Spanien für mich einfach so faszinierend!


Wir reden über die Familie und ihre Verstrickungen in die Geschichte, versuchen ein weiteres Mal die baskische Tradition und Ursprünge der Sprache zu verstehen, die unsere Vorfahren sprachen und die so lange Zeit verboten war. Die Freundlichkeit der Spanier tut gut, sie ist ruhiger, ehrlicher und unaufdringlicher als die der Italiener, scheint mir. Weniger Machos und mehr Zurückhaltung, einfach mehr Ruhe und die tut mir gut.
Wir besuchen Marilu, die Schwester von Alfredo. Vor 25 Jahren habe ich sie zuletzt gesehen, da war ich noch fast ein Mädchen. Inzwischen sind ihr 2 Ehemänner und eine Tochter gestorben und selbst ist sie schwer krank.

Das neue Guggenheim Museum streifen wir nur im Vorbeifahren. Es ist imposant und bringt der Stadt einen neuen Ruf als Kunststadt ein.
Freitag 22.06. San Sebastian

Heute geht es ans Meer nach San Sebastian. Diese Stadt soll eine der schönsten Städte Spaniens sein.
Auch dort treffen wir wieder Familie, Maria Eugenia, eine Cousine meiner Mutter und ihren Sohn Nacho, schwerstbehindert seit einem Motorradunfall mit 16 Jahren, seine deutsche taffe Frau und deren Tochter Nina, die eine deutsche Schule im Ort besucht. Dort haben sie Unterricht, jeweils 9 Stunden in den Sprachen Spanisch, Baskisch, Deutsch und Englisch, toll. Wir essen im Tennisclub, bummeln am Strand der Muschelbucht, der „bahia della concha“ entlang und laufen durch die Stadt. Eine neue Baskenmütze kaufe ich mir, die muss sein, schwarz, mit rotem Innenschleifchen, wasserabweisend und sehr elegant. Den Abend verbringen wir wieder mit Tapas essen und Familiengeschichten ausgraben gesellig am Tische, Klar, der Fernseher läuft, Deutschland gegen Griechenland, gut, das ist genehmigt heute.
Samstag 23.06. Auf Spurensuche nach Amorebieta und nach Durango in den Kochclub
Die Suche nach der Villa, in der meine Großmutter ihre Jugend verbrachte und wo sie so glücklich war, verläuft, wie schon fast zu erwarten war, erfolglos. Man hat doch wirklich in den 70er geschafft was der Krieg nicht vermochte, die komplette Zerstörung eines Ortes mit der Abrissbirne, um ein riesiges gesichtsloses Neubaugebiet zu errichten. So etwas habe ich noch nicht gesehen, einen Ort in dem nur noch die Kirche und circa 5 alte Villen von der ehemaligen Schönheit zeugen, alles andere neu und hässlich. Schnell wird mir klar, dass mir hier mein Sturkopf nichts nützt, der partout die Villa wieder finden möchte, wo nichts mehr ist hat Suchen keinen Sinn. Und doch dränge ich darauf, ältere Leute auf der Straße anzusprechen und wir zeigen das einige Foto, dass nur Terrasse und Garten der Villa zeigen. Ja, diese Villa kenne ich, die hatte im Eingangsbereich an der Decke einen großen Adler. Sie erklärt uns wo sie gestanden hat.
Wir haben Glück, dass gerade in der Kirche eine Hochzeit stattfindet und so können wir diese wenigstens anschauen. Ja, hier muss meine Oma gebetet haben, ganz sicher hat sie die kleine Marienstatur in der Ecke gemocht.



In dem Beichtstuhl, wer weiß, was sie da erzählt hat und hier um das Taufbecken standen sie ganz sicher vor circa 100 Jahren bei der Taufe von Paco und Alfredo, Oma Polonia mit Tochter Amparo und ihren wunderschönen 3 Töchtern in Spitzenkleidern und mit Haarkämmen.
Oft werden sie den gigantischen Altar auf und abgeschaut haben.
Und oft soll es meiner Oma hier schlecht geworden sein, denn sie mussten nüchtern in die Messe, die oft sehr lange dauerte und sie mussten lange stehen. Ja, hier kann ich ein bisschen bei ihr sein, das ist schön. Ich war erst 2 Jahre, als sie starb, gern hätte sie besser kennengelernt und ihren Geschichten gelauscht.
Wir fahren weiter. Es geht zur Tochter von Alfredo und Begonia, die auf dem Lande lebt, und wir wechseln das Thema komplett und wenden uns wieder den Genüssen in Spanien zu:
Feinschmeckern auf der ganzen Welt läuft das Wasser im Munde zusammen, sobald sie an das Baskenland denken. Das war mir bisher nicht bekannt, aber so steht es in meinem Reiseführer.
„Wer mit Basken Bekanntschaft schließt, darf es als höchste Ehre empfinden, einmal in den Stammsitz eines kulinarischen Zirkels, txokos genannt, eingeladen zu werden.“
„Das sind Zirkel, in denen sich Männer traditionsgemäß zum stundenlangen Kochen und Essen einfinden. Hier geben sie sich stundenlangen Vorbereitungen hin, stehen in Schürzen gemeinsam am Herd, testen neue Rezepte aus und tafeln bis in die Nacht. Oftmals sind diese gastronomischen Gesellschaften geschlossen, je nach Statut sogar für die eigenen Frauen."
Das ist hier zum Glück nicht der Fall und so inspizieren wir ausgiebig Küche und Kochclub.
Wenn ich Juan-Maria, dem Koch mit der baskischen Küchenschürze, so zuhöre, muss ich meine Meinung über meinen Mann revidieren, dass er eine laute Person sein, hier haben wir es mit der absoluten Steigerung von laut zu tun, lauter und am Lautesten. Aber er verbreitet herrlich gute Laune wie er da so die riesigen Pfannen Lammbraten auftischt und das gute Cervezza einschenkt.
Der Tag ist noch nicht zu Ende, es steht noch ein Highlight an: Wir besichtigen die älteste Schwebebrücke der Welt, die Puente Colgante, ein Meisterwerk der Stahlbautechnik, fertig gestellt 1893. Mit dem Panoramalift fährt man auf 50 m Höhe und kann dann auf dem vergitterten Fußgängergang die Brücke bei herrlicher Aussicht überqueren, während unten kurz über dem Fluss, dem Rio Nervión, eine Schwebebahn Autos und Fußgänger transportiert. Sie gehört zum Weltkulturerbe.



Und weiter geht es mit dem Sommersonnenwendefest am Strand von Getxo. Unglaublich, heute soll schon der längste Tag des Jahres sein? Wir laufen die Klippe herunter und sind am breiten Sandstrand. Überall brennen Feuer und die Jugendlichen machen Picknick, tanzen und haben ihren Spaß. Das Meer wird mit Scheinwerfern beleuchtet, sehr romantisch. Es ist eine laue wunderschöne Abschlussnacht und wir liegen uns alle etwas traurig aber sehr glücklich in den Armen.
Sonntag 24.06. Burgos und Madrid

Heute geht es zurück mit dem Auto, Zwischenstop in Burgos. Das hatte ich mir gewünscht, Burgos ist wunderschön und die weiße Kathedrale mehr als faszinierend. Wir schauen sie ausgiebig an und geben uns dann einem Tapasessen unterhalb der Zinnen in einem urgemütlichen Restaurant hin. Wir sitzen direkt an der kleinen  Straße und da auch hier Sommersonnenwende gefeiert wird ziehen lustige Blaskapellen vorbei. Ein schöner und typisch spanischer Abschluss.

Abends gibt es dann in Madrid noch eine kleine Familienfeier.
Der spanische Humor gefällt mir ausgesprochen gut, wir machen unentwegt Späßchen miteinander. Fröhlich und leicht wehmütig geht der Abend in Familie mit dem 1:0 für Italien im Fernsehen zu Ende. Nur ich runzele etwas die Stirn, denn das bedeutet, dass nun Deutschland gegen Italien spielt und das wird nun wieder vermutlich gar nicht so lustig. Na, lassen wir uns überraschen…. Ich werde davon berichten, falls ich mich nicht in die Weinstube von Lari zurück ziehe und mich (un)heimlich betrinke (ist nur Spaß!).

1 Kommentar:

  1. Liebe Kristina, Toller Bericht. Wie hat es den Felix gefallen? Liebe Grüße Anja

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