Sonntag, 29. Juli 2012

Al mare - am Meer

Heute schreibe ich Euch vom Meer aus. Oggi vi scrivo dal mare. Um genau zu sein sitze ich bei Kerzenschein auf der Veranda unseres Wohnwagens in einem Pinienwäldchen und ich höre das Meer rauschen. Es ist nicht ganz einfach, sich hier zu konzentrieren, denn man wird dauernd abgelenkt.
Aber ich will mich mal nicht beschweren. Während der Hochsaison am Meer arbeiten, das ist doch wunderbar und Schreiben bei Meeresrauschen, das hat schon etwas.

Nun, manchmal rufen Gäste tagsüber an, die natürlich meinen, mich am Bürotisch vorzufinden während ich, meistens ganz vorn am Strand (Strandhüter bezirzt) auf meiner Sonnenliege schlummere. Also wenn das Telefon klingelt, sage ich meinen Kindern, so sie denn gerade anwesend sind, dass ich schnell ins Büro muss und ziehe mir das Handtuch über den Kopf.
Es kann dann trotzdem passieren, dass die Anrufer meinen, die Leitung sei gestört und sie wollen nochmal anrufen. Das ist nicht die Leitung, das ist das Meer, das je nach Windlage einen ganz schönen Lärm macht,  erkläre ich vorsichtig, und da hat auch nochmal anrufen natürlich keinen Sinn. Die Kinder haben auch nach spätestens 30 Sekunden vergessen, dass ich „im Büro“ bin und  von den , im wahrsten Sinne des Wortes, umliegenden Italienern kann man auch nicht erwarten, dass sie verstehen, was ich da unter dem Handtuch mache auch wenn die Hand, die darunter vorschaut mehr als eindeutig das Zeichen für piano piano – leise leise macht. So ist ein Anruf in meinem derzeitigen Büro ein ziemlicher Nervenstress. Aber, wie gesagt, es gibt Schlimmeres.

Achja, ich bin die Geschichte noch schuldig, wie es denn dazu kam, dass ich während der Hochsaison 3 Monate am Meer verbringe. Um ganz ehrlich zu sein, das hätte ich mir ohne einen gewissen Zwang nie gewagt und auch nie zu Träumen gewagt.

Das kam so: Im November vor 1,5 Jahren hatte ich eine Reservierung von 2 russischen Familien, 4 Erwachsene und 6 Kinder. Sie hatten ein relativ kleines Haus gewählt und die Vermieter hatten zugesagt. Im Mai hatten sie endlich alle Papiere zusammen, was immer noch einen ziemlichen Aufwand bedeutete. Sie waren froh und glücklich und ich rief die Vermieter an, um ihnen alle genauen Daten mitzuteilen. Zu meinem puren Entsetzen teilten sie mir mit, dass sie nicht mehr gedachten, die Reservierung anzunehmen, das wären zu viele Personen und zu viel Chaos und überhaupt. Ich erstarrte vor Schreck zur Salzsäule. Es ist schon schlimm genug wenn eine Reservierung platzt, aber zur Not kann man meistens noch ein Ersatzhaus finden. Aber die 2 Familien hatten nicht nur eine Woche reserviert oder zwei, sie hatten ZWEI MONATE reserviert. In mir brach Panik aus. Absagen kam gar nicht in Frage, der langersehnte Jahresurlaub für 2 Familien, den konnte ich nicht platzen lassen, auf gar keinen Fall! Aber was tun? Völlig verzweifelt suchte ich nach Lösungen aber mir fiel nichts ein. Woher sollte ich im Mai noch ein freies Haus für 10 Leute nehmen? Ich schlief die 1. Nacht nicht, ich schlief die 2. Nacht nicht, in der 3. Nacht kam endlich die (Er-)lösung. Das war`s! Ecco! Ich rüttelte Riccardo wach, der natürlich seelenruhig schlief „Riccardo, senti, hör mal, wir ziehen aus unserem Haus aus“. Come? Was? Jaaaa, wir kaufen uns einen gebrauchten Wohnwagen, ziehen auf einen Campingplatz und die Russen ziehen bei uns ein. Nun war auch Riccardo hellwach. Wir rückten unsere Kissen im Bett zurecht und fingen an, Pläne zu schmieden. Und je mehr wir darüber nachdachten desto besser gefiel uns die Idee.

Filippo wollte schon lange einen Wohnwagen und im Frühjahr hatte ich schon mal danach gesucht, dann aber die Idee, als völlig absurd in jeder Richtung, verworfen. Reden wir jetzt nicht davon, was es alles brauchte, um so schnell noch einen Wohnwagen zu finden (der erste, den ich fand war promt ein Internetbetrug), ein Familienhaus in ein Ferienhaus zu verwandeln, einen geeigneten Campingplatz am Meer, wenn schon denn schon, zu finden, und ein Büro, sprich Internetzugang dort einzurichten.

Am Ende hat alles gut geklappt und ich sage Euch, uns hätte nichts Besseres passieren können. Für die Kinder ist es ein Paradies. Die beiden Kleinen sind den ganzen Tag unterwegs, spielen, baden, Fahrradfahren, Babydance, Eis essen, Hüpfburgen. Wie gut es ihnen hier geht hat Luca letztens mit seinen 5 Jahren treffend ausgedrückt „Mamma, sto troppo bene in questa vita“ – Mama, mir geht es ja soooo gut in diesem Leben“. Und auch wir genießen die Zeit hier. Ich bin ein absoluter „Meermensch“. Allein das Rauschen zu hören oder ein paar Minuten und nun sogar fast jeden Tag ein paar Stunden hier zu verweilen, gibt mir sehr viel Ruhe und Energie. Die Abendstunden sind vielleicht die Schönsten, da zieht etwas mehr Ruhe ein. Die Grillen zirpen in den Pinien, Discomusik zieht gedämpft herüber, die Wellen rauschen an den Strand, von dem wir nur wenige Meter entfernt sind.

Sicher folgt bald noch ein ausführlicher Bericht von einem Alltag am italienischen Strande, der doch, klar, ziemlich laut zu geht und klar, gibt es schon wieder nette Geschichten zu erzählen.

Heute möchte ich mal grüßen. Ne, jetzt fangen wir nicht an wie im Radio aber das ist mir gerade ein Bedürfnis. Der erste Gruß geht an Nick, 15, Freund von Felix und mit Sicherheit mein jüngster Leser. Hat mich so sehr gefreut, zu hören, wie Du Dich auf meine neuen Beiträge stürzt und wahrscheinlich auch gerade mein Buch verschlingst. Du bist toll, Nick!
Susanne (Musikschule), ganz liebe Grüße, Deine lieben Zeilen haben mir oft den Mut gegeben, weiter zu schreiben. Schön, zu merken, dass man nicht „ins Leere“ schreibt,  sondern, dass es Menschen berührt und ihnen Freude bringt. Danke!
Ach und danke auch für die Quarklieferung direkt nach Lari. Wie lecker!
Auch Wolfgang und Familie möchte ich auf diesem Wege nochmal grüßen. Sie waren gerade Gäste in meinem Haus, das ich nun im Sommer, einmal auf den Geschmack gekommen und auch weil die toskanischen Preise für die Dauermiete auf einem Campingplatz im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend sind, gern wieder vermiete. Ihr wart fantastische Gäste!!! Alles Liebe und Gute für Euch alle!
Eigentlich geht der Abend in der Toskana jetzt erst so richtig los. Felix ist natürlich „in giro“ – auf Achse (oder wie heißt das?) und kommt sicher erst gegen halb zwei zurück. Unserem Campingplatz sind 2 weitere angeschlossen und da ist jeden Abend etwas los, heute Kabarett, oder Zirkus, Theater und danach immer Tanz. Aber wir werden uns einen ruhigen Abend machen. Uns? Naja… Luca ist schon im Bett, Riccardo schläft gewohnheitsmäßig gleich mal mit ihm ein, Filippo ist auch noch in giro bei einem Freund, aber wo genau weiß ich eigentlich nicht. Und ich gehe nochmal ans Meer.

È una notte meravigliosa – es ist eine wunderschöne Nacht.


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