Mittwoch, 15. August 2012

Ferragosto – Il 15. Agosto sulla spiaggia – 15. August am Meer

Heute ist der 15. August und heute ist nur ein Gegenstand am Meer wichtig, ein


EIMER!

Denn heute ist Ferragosto (von lat. Feriae Augusti = Festtag des Augustus). Bei uns ist der Feiertag, der immer auf den 15. August fällt, unter Maria Himmelfahrt bekannt. Es ist angeblich der heißeste Tag des Sommers (was ich jetzt so nicht sagen kann, denn wir haben seit 10 Wochen langweilige tägliche 32 Grad und ewige Sonne) und kennzeichnet den Wendepunkt des Sommers. Also bestimmte ihn Kaiser Augustus/ imperatore Augusto (erster römischer Kaiser und Alleinherrscher des römischen Reiches/ 63 v. Chr. - 14 n. Chr) als arbeitsfreien Tag, nicht nur für die freien Römer sondern auch für die Sklaven. Es ist der älteste heute noch begangene Feiertag!
Es ist ein eigenartiger Tag in Italien. Ich brauchte ein paar Jahre, um ihn zu verstehen. Ihn kennzeichnen folgende Merkmale:
Ganz Italien ist im Urlaub!  Alle, aber auch alle Italiener nehmen um diesen Tag herum ihren Jahresurlaub. Das ganze öffentliche Leben kommt nahezu zum Erliegen. Alle Geschäfte haben zu, das bürokratische und wirtschaftliche Leben kommt zum völligen Erliegen, nichts geht mehr, Hotels, Pensionen, Campingplätze ausgebucht, überall wird gefeiert.
Im Laufe der Jahre hat sich das aber etwas geändert, die Krise hat diesen Tag beeinflußt. Während früher auch Restaurants an diesem Tag nicht mehr als ein Schild „chiuso per ferie“ / wegen Ferien geschlossen boten so kann man heute schon eher hoffen, dass der Besitzer den zu erwartenden Geldsegen nicht ignoriert und doch öffnet.  Vor einigen Jahren noch kam ich in große Schwierigkeiten weil ich meinen Gästen nicht raten konnte was sie an diesem Tage machen sollten, alles zu, Staus, Überfüllung, caos completo/ komplettes Chaos. Heute rate ich einfach: Bleibt um Gottes Wille an diesem Tag zuhause, legt Euch an den Pool, versorgt Euch selbst oder aber besucht die Städte, die mit Sicherheit nicht menschenleer aber Italienerleer sein dürften. Vermeidet auf jeden Fall die klassischen italienischen Zeiten, vermeidet es, Euch zwischen 19. – 21.00 Uhr auf irgendeine Straße zu begeben, die vom Meer ins Landesinnere führt. Da fährt der Italiener zum Abendessen und es ist mit km-langer fila/Stau zu rechnen.
Warum der Eimer so wichtig ist an diesem Tage. Ja, natürlich um ihn mit Wasser zu füllen und secchiate d`acqua – Wasserschlachten mit Eimern/ le secchiate (sekiate) zu veranstalten. Mit der Jungfrau Maria hat das wohl wenig zu tun, eher mit der großen Hitze an diesem Tage, die 100% ig garantiert scheint so wie auch die Wasserschlacht.

Als Erstes erwischt es Luca, völlig unvorbereitet, denn er geht an den Strand und Riccardo der Strandwart überfällt ihn aus dem Hinterhalt seines Sonnenliegenmagazins mit seinem Eimer. Dummerweise haben wir vergessen, ihm zu erzählen was heute üblich ist. Von Weitem schon höre ich ihn heulen. Meine Bedenken, er hätte sich schwer verletzt zerstreuen sich jedoch schnell und schwinden einem Lächeln über die patschnasse Maus. „Stronzo“/ Arschloch (bringen wir Euch heute doch auch mal richtiges Italienisch bei…)   schallt es weit aus dem kleinen Munde über den Campingplatz. Luca ist sauer aber natürlich innerhalb der nächsten halben Stunde bei der schönsten Wasserschlacht dabei.


Falla kommt vorbei, unser liebster senegalesischer Strandverkäufer, dem wir schon so einige "Markenschnäppchen" zu verdanken haben, und meint gerade heute würde das Geschäft wohl nicht gut laufen, denn keiner traut sich, Portemonaies mit an den Strand zu bringen denn es würde hoch her gehen und am Ende seien alle und alles nass.  Im letzten Jahr mussten sogar die Carabinieri einschreiten, weil ausgelassene Jungs einen schlafenden Herrn mit Wasser überkippt haben, der blitzschnell und plötzlich hellwach (oder hatte er nur darauf gewartet?) aufsprang und mit einem Knüppel auf die Schelme eindrosch.

Auch mir ist das Ganze suspekt. Ich schieße schnell am Strand ein paar Fotos, sorgsam darauf bedacht, dass mein Fotoapparat trocken bleibt, und dann mache ich mich aus dem Staub bzw. aus dem Wasser. Es könnte sonst schnell passieren, dass ich als Spaßbremse fungiere, denn für solche Spielchen bin ich nicht unbedingt zu haben. Andererseits beneide ich alle, die so ausgelassen am Treiben teilnehmen. Am meisten legt sich unser Strandwart Riccardo ins Zeug, der unseren Sonnenschirm immer schön in der ersten Reihe am Meer plaziert. Heute allerdings wäre mir doch die letzte Reihe mit schneller Strandfluchtmöglichkeit lieber gewesen!






Nichts und niemand wird verschont, nicht die superdicke Frau da, die in ihrem Sonnenstuhle festklemmt, der ältere Herr mit Sonnenhütchen auf seinem Handtuch, das Baby, das erschrocken nach Luft schnappt: Platsch und der Inhalt des Eimerchen lehrt sich über ihnen aus. Und schwupppps bin ich weg.

Wer sich übrigens wundert, warum wir rosa Hello Kitty-Eimerchen haben: Im letzten Jahr wurde unser ganzes Strandspielzeug geklaut und die Spenden der netten Italiener ringsum fiel eben zum Teil rosa aus. Ist auch egal, Eimer ist schließlich Eimer.

Aber auch hier kann man, wenn man mit der Kultur vertraut ist, mit der Zuverlässigkeit der Italiener rechnen. Pünktlich um 1 lehrt sich der Strand, man geht essen, si va a mangiare … und ich gehe an den Strand und stürze mich ins Meer, mi tuffo nel mare, um mich natürlich pünktlich um 3 wieder entgegen dem Strom zum Wohnwagen zu begeben.

Ach ne, auch das noch! Am Eingang zum Strand stehen sie alle schon fein da, als hätten sie nur auf mich gewartet: Süße Kinder mit ihren netten Mammas bewaffnet mit gavettoni (kleine Ballons mit Wasser), Eimerchen, Spritzpistolen und allem was sich eignet, um Wasser aufzunehmen und damit Leute zu ärgern. Mit einem funkelnden Blick verschaffe ich mir Respekt und schaffe es weiß Gott, trocken durch das Spalier zu kommen.

Natürlich, naturalmente, aber das geht in dem ganzen Trubel ziemlich unter, gibt es auch Prozessionen  mit der Maria. In Marina di Bibbona finden sie in der Nacht vor Ferragosto statt. Ich verpasse sie diesmal, denn ich feiere bei Fausto im Weingut, um die Sieger des Wettkampfes in Usigliano zu feiern. Dort „vergnügten“ sich am Wochenende die Einwohner der verschiedenen Dorfteile beim Seilziehen, Eierlaufen, Sackhüpfen und Spaghettischnellessen. Wir schmuggeln da seit 2 Jahren einige deutsche Hünen in die Mannschaft des Weingutes, rione/ Ortsteil „Castello“ ein. Rudi, Stefan (von mir vor 4 Jahren im Weingut mit Tina verheiratet) und Oliver halten sich wacker und führen die Mannschaft beim Seilziehen zum Sieg. Rudi schlägt sich auch gut beim 200 gr Pastaschnellessen hat aber keine Chance gegen eine 13-jährige Italienerin. Nichts zu machen bei der Liebslingsdisziplin der Italiener! Gegen Sackhüpfen und Eierlaufen weigern sie sich eigenartigerweise (warum nur, sähe echt hübsch aus, Jungs), aber ihre Blessuren ertragen sie voller Würde. Roberto, der Pizzabäcker/ il pizzaiolo des Weingutes, erkennt einen wesentlichen Unterschied beim Wettkampf: Während die Italiener aufhören wenn es wehtut, fangen die Deutschen da erst richtig an. Im nächsten Jahr verspreche ich, dabei zu sein und dann wird hier im Blog natürlich ganz ausführlich berichtet.

Ich spute mich, um nach dem Essen schnell ans Meer zu kommen, denn das Feuerwerk/ il fuoco artificio am Meer will ich unbedingt sehen. Wir nehmen unsere Stühle und setzen uns zwischen die fröhlich schwatzenden Menschenmassen an den Strand. Eine schöne Stimmung. Ich suche den Himmel nach Sternschnuppen ab so wie in jeder Nacht seit San Lorenzo (die Nacht vom 10./11.08), aber eigentlich habe ich schon so viele gesehen, dass mir keine Wünsche mehr einfallen. Das Feuerwerk über dem Meer ist faszinierend, begleitet wird es vom ah und oh der Menschen.

Heute jedenfalls gehe ich nicht mehr ans Meer und weiß auch für die Zukunft, dass der 15. August nicht mein Lieblingstag/il mio giorno preferito am Meer sein wird. Auch wenn an dem Tag ALLE Italiener ans Meer gehen!
IO NO/ ICH NICHT!
:-)

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