Unser Tag am Meer beginnt, je mehr die Saison fortschreitet, jeden Tag ein paar Minütchen später. Das liegt daran, das die Nächte immer länger werden. Sie sind wunderbar lau und amüsant.
Ach ist es schön, noch faul im Bett/ Wohnwagen zu liegen und mit den Kindern zu kuscheln. Nur einer will schon wieder Action, klar, mein Mann. Er lädt in einer Sekunde seine Batterien von 0 auf 100 auf, springt mit einem Satz aus dem Bette, und würde am Liebsten gleich wieder ins Schwimmbad radeln, schließlich hat er die Olympiagewinner von 2020 zu trainieren, oder zum Beachvolleyballplatz. Però per favore, facciamo piano piano, aber bitte, machen wir doch langsam. Wir sind doch, oder Mann und Kinder zumindest, in vacanza/ im Urlaub. Och, einfach sich räkeln und faul sein…
Morgens schnappt sich Luca erstmal seinen Bärchenrucksack und das kleine Fahrrad und fährt Brötchen holen. Wir frühstücken gemütlich (gemütlich naja, Mann springt dauernd auf und kehrt den Fußboden oder so). Die Jungs frühstücken italienisch, Kekse oder Nutellabrötchen in Milch getunkt, ich esse eher deutsch, ein Salamibrötchen und dazu einen schönen Filterkaffee.
Dann ruft die Arbeit, sprich der Computer. Etwas mühsam ist das Arbeiten hier, die Verbindung ist schneckenlangsam oder bricht ganz ab, die emails kommen zum Teil zurück oder der Computer geht ganz aus. Reden wir nicht von den kleinen Extraüberraschungen wie vor 2 Wochen als ein Hacker alle meine Sites gehackt hat. Ja, das war ein „Spaß“. Kam aber gleich ein email von Alexandro aus Bellorussland, er hätte die Bescherung gesehen, wäre von einer Internetsicherheitsfirma, wüsste eine Lösung für mich und würde mir auch einen guten Preis machen.
Neben mir macht Filippo, nun bald unser Zweitklässler,
Hausaufgaben. Ganz klar, wenn man, wie hier, in Italien 3,5 Monate (!) Ferien hat,
muss man etwas tun. Es gibt ein Hausaufgabenbuch mit 120 Seiten und jeden Tag
muss (müsste) er einen kleinen Aufsatz schreiben über das, was so erlebt hat.
Luca, der zukünftige Erstklässler, spielt an seinem Computer. Vor dem Zelt
laufen Eidechsen und Amseln im Pinienhain/ nella pineta spazieren und, da unser Wohnwagen am Weg zum Meer
steht, laufen auch alle Freunde der Kinder vorbei, die natürlich in
italienischer Manier/ nel modo italiano lautstark begrüßt werden. Solange ich an meinem Blog
schreibe, mag das gehen aber ich bin ja nicht nur zum Vergnügen hier sondern
arbeite ganz normal weiter, wenn auch, zugegebener Maßen in sehr angenehmen
Ambiente. Einmal pro Woche fahre ich nach Lari hoch, um meine Gäste zu
begrüßen, die Nudelfabrik zu zeigen (jetzt aber natürlich „chiuso per ferie“)
und abends einen Pizzaabend auf Fausto`s Weingut mit meinen Gästen zu genießen.
Neben uns wohnt dazu jetzt noch auf dem Campingplatz/ al campeggio eine Familie,
die von morgens um 10 bis nachts um 11 den Fernseher laufen hat. Wollte ja doch
nie so ganz glauben, als fast nie Fernsehschauer, dass es so etwas gibt. Etwas
schwierig (… um nicht zu sagen, zum wahnsinnig werden…), mich bei Dauerbeschallung italienischen Fernsehens zu konzentrieren.
„Felix“ sage ich zu meinem gerade 15 Jahre alt gewordenen Sohn, „wenn ich mal alt bin, und
so wie die alte Nonna/ die Oma der Familie nebenan, den ganzen Tag im Rollstuhl
vor dem Fernseher hocke, dann sei so lieb, nimm ein Schießgewehr und bringe
mich um.“ Erstaunlicherweise gibt er mir, für meinen Geschmack allerdings etwas
zu schnell, eine Antwort die ich sonst selten aus seinem Mund höre: „Ja, okay,
mach` ich“. Na, in wichtigen Situationen kann man sich eben auf seine Kinder
verlassen!
Später gehen wir an den Strand. Erste Reihe, wie immer,
passt. Riccardo, der Strandwart, ist eben super. Das heißt ich gehe an den Strand, meine Kinder und mein Mann
tauchen auch ab und zu mal auf, aber meistens nur, um ebenso schnell wieder zu
entschwinden.
Die lieben Kleinen, heute mal beide bei mir, fragen mich
ob ich mit ihnen spiele, aber ich bin, wie leider oft, zu müde. Also schlage ich
ihnen vor, ich wäre doch eine Prinzessin und ob sie mir nicht ein Castello,
eine Burg bauen könnten. Erfreut willigen sie ein und bauen mir eine herrliche
Sandburg mit Türmchen, Fähnchen, Brücken, Gräben und Mäuerchen. „Ottimo lavoro, tolle Arbeit“ lobe ich sie.
Nun wollen sie allerdings ein Eis. Das gibt es im benachbarten Bootsclub. Aber es ist Vormittag und eine der Regeln lautet, Eis gibt es erst am Nachmittag. So sehr sie auch ningeln und nerven, ich bleibe bei meinem „nein“. Oi/ oh je, die hören einfach nicht auf, also stelle ich mich schlafend. Die beiden Süßen haben es sich im Sande bequem gemacht und überlegen. Sie überlegen, wieder für meinen Geschmack, etwas zu laut. „Ammazziamola/ bringen wir sie um“. Ausgerechnet der Ruf des Kleinsten ist am Lautesten. Sie sind gerade dabei zu überlegen, welche Todesart doch am Besten für ihre Mammina/ ihr Mamilein wäre, da kommt zum Glück der Papa/ il babbo (auf toskanisch) und holt sie zum täglichen Olympiameisterschaftentraining ab. Ah, Glück gehabt. So bleibt mir doch noch etwas Zeit bis zum Gewehrtod vor dem Fernseher.
Mittags kochen wir uns eine Kleinigkeit und ich sehe zu,
dass ich nach kurzem Computercheck wieder schnell ans Meer komme, denn das ist
die beste Zeit, menschenleerer Strand, den ich mir nur mit einigen wenigen anderen
Touristen teile und den senegalesischen Strandverkäufern, die im Schatten eines
Schirmes vor sich hin dösen (Diesen wird mein nächster Post gewidmet sein).
An Aufregung gibt es sonst weiter nichts. Unserer
Nachbarin mit dem (eindeutigen) Silikonbusen fliegt der Sonnenschirm weg und
ihr Buch über die Inquisition, das sie gerade liest, fällt ins Wasser und der
andere dicke Nachbar bricht mit seiner Sonnenliege ein, was zu erwarten war. Es
fällt auf, dass es immer mehr dicke Italiener und vor allem dicke Kinder gibt. Fastfood hat auch hier Einzug gehalten. Die andere Nachbarin ist auch dick weil sie hochschwanger
ist. Sie reist nur kurz ab, um das Kind zu bekommen und kommt nach 10 Tagen
samt Neugeborenem wieder an den Strand. In Florenz ist es viel zu heiß, 7 Grad
heißer noch als hier, aslo über 40 Grad. Da geht es dem Baby am Meer doch besser.
Einmal kommt ein kleines Flugzeug vorbei mit einem großen
Banner dahinter, rote Schrift auf weißem Grund „Anna, mi vuoi sposare/ Anna
möchtest Du mich heiraten?“. Wie schön! Che bello! Dabei ist der klassische Italiener weiß
Gott nicht romantisch. Kerzen beim Abendessen, Rotwein gemütlich zu Zwein? Che
cavolata, so ein Quatsch!
Es fliegen auch öfter andere Flugzeuge vorbei, die
Löschflugzeuge. Bei der monatelangen Trockenheit (seit Mitte Juni langweilige Sonne und um die 30 Grad)kommt es öfter zu Waldbränden, die tagelang nicht zu löschen sind, weil die Wurzeln unterirdisch weiter
klimmen und dadurch an anderen Stellen neue Brände ausbrechen. Manchmal hält
sich der Brandgeruch einige Tage.
Ab und zu kommt ein Kind schreiend aus dem Wasser, es hat
eine Qualle erwischt. Wir haben alle schon unsere Ammoniakstifte dabei, auch
ich habe mir dieses italienische musthave in diesem Jahr endlich auch
angeschafft. Aber vermutlich ist heißer trockener Sand das beste Mittel. Stelle
damit abreiben, Schmerz lass nach rufen und fertig. Auf gar keinen Fall Wasser
verwenden, das „entfacht“ die Tentakeln nur noch mehr. Ich habe bisher weder
Quallen gesehen noch bin ich damit in Berührung gekommen aber auf eine Tracina bin
ich schon mal getreten, den Schmerz merkt man sich ein Leben lang. Das sind
Fische, die sich, oben mit Stacheln versehen, unter der Sandoberfläche
eingraben, ein unvergessliches Gefühl!
Nachmittags gehen wir in die Bar um, klar Crema al
caffé/ Kaffeecreme zu uns zu nehmen, ein Muss. Das ist gefrorener Kaffee,
ganz cremig gerührt, aber ohne Speiseeis o.ä., ein Hochgenuss! Für die Kinder
gibt es Bomboloni
(eine Art Berliner oder Pfannkuchen) und Eis, aber nicht jeden Tag, versteht
sich.
Nachmittags um 5 fängt der Babydance an, d.h.
laute Musik geht am Strand los.
Selbstverständlich können wir alle Lieder mitsingen, mittanzen allerdings immer
noch nicht, das überlassen wir nun doch der Jugend. Wie hübsch sie alle sind.
Dann ist mein Mann mal wieder verschwunden. Nicht, das mich das arg wundern würde, er hält es nie für nötig, Bescheid zu sagen, wo er gerade steckt, aber wehe ich mache das mal so. Dann mobilisiert er sofort (so er es denn merkt) panikartig den ganzen Strand, und alle machen erleichterte Gesichter, wenn ich wieder auftauche. Dabei war ich höchstens 20 Minuten spazieren. Als mein Mann nach 2 Stunden immer noch nicht da ist, wundere ich mich doch etwas (unnötig, denn klar, es ist Beachvolleyballzeit). Ich frage bei Riccardo, dem Strandwart nach „Hai visto per caso mio marito?“ Hast Du zufällig meinen Mann gesehen? Sí, certo, é su un`altra bambola." Ja, sagt er, der liegt gerade auf einer anderen Puppe. Na gut, dann kann ich ja beruhigt sein.
Um 19 Uhr fängt Riccardo an, die Sonnenliegen
einzusammeln und wir gehen kochen und duschen. Die beiden Kleinen mit ihren
fast 6 und 7 Jahren gehen ganz allein duschen und ziehen sich an. Das
Abendessen fällt reichlicher aus, aber es kommen einfachere Sachen als zuhause
auf den Tisch. Ich schiebe immer ein paar Computerstunden irgendwo zwischen
Strand, Kinder versorgen, kochen, aufräumen ein, ein ziemlicher Spagat.
Das Abendangebot ist hier in Marina di Bibbona breit
gefächert. Es gibt auf dem Campingplatz eine Bar mit Tischfußball/ billiardino und
Fernseher, wo sich abends immer viele Leute versammeln, 21 Uhr ist wiederrum
Babydance. Auf dem Campingplatz, der unserem angeschlossen ist, finden jeden
Abend Veranstaltungen statt: Kabarett, Theater, Zirkus, Tombola, Disco und der
besondere Spaß, die Schaumparty. Dabei wird durch eine Riesenkanone so viel Schaum auf die Piazza gesprüht, bis sie einen Meter hoch bedeckt ist, ein Riesengaudi - un divertimento enorme. Alle tanzen und haben ihren Spaß. Und wir, klar, mittendrin.
Im Ort gibt es
riesige Hüpfburgen, ein Magnet für die Kinder, 5 Mal waren wir in diesem Jahr
schon dort. Es gibt eine Kirmes, Minigolf, den Lunapark/ Kirmes, Trambolin,
Markt, Kindertheater, manchmal Stuntshows und Straßenzirkus. Dazu viele
Pizzerien, kleine nette Läden, Bars, Caffés. Wer sich hier vergnügen will, nur zu.
Mir macht der Rummel Spaß, denn ich weiß der Winter auf unserem kleinen Dorf
wird dann wieder sehr ruhig. Beides hat seinen Reiz.
Ganz in der Nähe ist auch ein Buchzelt und jedes Jahr
gehe ich dort mit den Kindern hin und sie dürfen sich 2 Bücher aussuchen.
Aufgeregt und gewissenhaft suchen sie ihre Schätze aus und tragen sie stolz
nach Hause.
Nachts geht es oft nochmal ans Meer und da stellt sich
raus, dass das duschen eigentlich umsonst war, denn ruckzuck wälzen sich alle
wieder im Sand. Wir nehmen den Leuchtball mit oder die kleinen Flieger,
die man mit einem kleinen Katapult ganz hoch in den Himmels schießt, beleuchtet und mit einem kleinen Propeller geliten sie nach unten. Das sieht
unter dem Sternezelt ganz zauberhaft aus. Die Kinder meinen, man darf sich bei
jedem Schuss in den Himmel etwas wünschen, und ich lausche gespannt, was denn
die heimlichsten Wünsche meiner Kinder sind. Die von Luca kommen in dieser
Reihenfolge: Ich möchte eine Fidanzata/ Verlobte
(aus früheren Posts wissen wir ja, dass man sich hier nicht nur eine Freundin
wünscht sondern wenn es dann schon ernst meint). Dann geht es weiter mit: Ich
möchte reich werden (eine gute Idee), ein Schiff mit 2 Motoren (da kenne ich
mich nicht aus, aber das muss etwas ganz besonderes sein), dass es auf der Welt
keine richtigen Waffen mehr gibt (anschließend möchte er aber doch eine Spielzeugpistole
mit Plastikkügelchen) und, das Jesus zu seinem Geburtstag kommt. Oh, okay,
angespannt überlege ich, wie ich das denn nun bewerkstelligen soll, den Papst/ il papa zum Geburtstag hätte ich vielleicht noch hingekriegt, aber dazu habe ich noch keine
zündende Idee. Nun, schlafen wir mal eine Nacht drüber.
Im Wohnwagen hören wir die noch laute Musik von draußen
vom Lunapark, aber Punkt Mitternacht ist damit Schluss. Außer im August, da
geht es bis ein Uhr. Je nachdem wie der
Wind steht kann man auch das Glück haben, die Musik vom Lunapark gleichzeitig
mit der vom Restaurant in der Nähe zu hören. Wenn dann noch Nachbars Fernseher
läuft ist das Chaos perfekt/ il caos é perfetto. Da helfen nur noch Oropax, die sowieso in Italien zur Grundausstattung gehören sollten. Mitternacht/ a mezzanotte ist jedenfalls Sperrstunde und da hält man sich strikt daran, ansonsten kommen
(wie bei meiner Hochzeit um 2.30) die Carabinieri…. Wenn man also, ganz nach
italienischer Manier, lange tagsüber Siesta macht und nicht vor Mitternacht ins
Bett geht, ist man gut beraten und kann die nächtliche Ruhe genießen.
Später hört man nur noch das dumpfe tungtungtung des Traktors,
der den Strand säubert, und das Rauschen des Meeres. Welch` schöne Einschlafmusik!
Questo sí che é vita! Ja, so lässt es sich leben!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen