Mittwoch, 5. September 2012

Strandverkäufer - i venditori ambulanti sulla spiaggia

Ein italienischer Strand/ una spiaggia italiana, oder gut, ich kenne ja nur mehr oder weniger die toskanischen Strände, ist doch einem Jahrmarkt gar nicht so unähnlich. Man könnte ja mal mit zählen, um das Ganze fundierter zu präsentieren, aber ich schätze mal, dass so pro Minute mindestens 5 Strandverkäufer vor einem stehen und nicht unbedingt geneigt sind, sich sofort zum Weitergehen bewegen zu lassen. Ich bleibe trotzdem freundlich, denn ich habe Achtung vor ihrer Arbeit, die schwer ist und mit der sie mühsam ihre Familien durch bringen.

 
Und außerdem betrachte ich gern das bunte Treiben: Da gibt es Sonnenbrillen/ occhiali da sole, Hüte/ cappelli, Taschen/ borse, Strandtücher/ asciugamani, Schmuck/ gioielli, Klamotten/ vestiti, Bikinis/ costumi, Armbänder/ braccialetti, „Markenkleidung“/ moda contraffata, Handyhüllen/ guaine per cellulari, Turnschuhe/ scarpe da tennis, Windräder/ girandole, Seifenblasen/ bolle di sapone, Spritzpistolen/ pistole d`acqua, Strandspielzeug/ giocattoli da spiaggia, Bücher, Tattoos/ tatuaggi, Haareflechterinnen/ acconciatrici, Masseurinnen/ massaggiatrici, Bomboloni-, Eis-  und Kokosnussverkäufer/ venditori di bomboloni, gelati e noci di coco. Ich finde das ganz nett, eigentlich wie im Schlaraffenland/ il paese della cuccagna.
 
Hier sind die Verkäufer zum größten Teil Senegalesen, die sich hier in den Sommermonaten ihr Geld verdienen. Aber auch aus Napoli/Neapel, Bangladesh, China und Rumänen kommen sie. Entweder verbringen sie den Winter dann zuhause oder wohnen schon ganz hier in Italien. Sie müssen ihre Waren erst von Händlern kaufen und verkaufen sie dann weiter. Je nachdem wie geschickt sie sind, verdienen sie. Stundenlang/ ore e ore  laufen sie über die kilometerlangen Strandabschnitte und bieten ihre Waren an. Im Juli/ August kommt erschwerend für die Senegalesen noch der Ramadan, der Fastenmonat dazu, von Sonnenauf- bis Untergang dürfen sie weder essen noch trinken, nicht mal Wasser! Das ist richtig hart. Von der Gemeinde erhalten sie Verkaufsgenehmigungen für die Saison aber das schützt sie nicht vor Kontrollen der Küstenwacht, die ihnen durchaus Probleme bereiten könnte.

Es gibt Händler, die schon seit über 20 Jahren hier sind. Man kennt sie, sie verkaufen gute Sachen („echte“ Markenware natürlich) und haben ihre Stammkundschaft. Falla gehört dazu, ein schwarzer netter Hüne, mit besonders schönen Jeans, Hemden und Winterjacken (sehr lustig mit Bikini drunter bei 38 Grad anzuprobieren). Alle kennen ihn seit Jahren, sein Geschäft läuft gut.
Mamadu ist traditionell mit langem gestreiften Gewande unterwegs und verkauft Armbänder und Sonnenbrillen. Max verkauft CD´s und wird von unseren Jungs schon von weitem begrüßt. Lidia kommt vorbei mit ihren großen schaukelnden Ohrringen. Sie wohnt in Mailand, hat 2 kleine Mädchen, die sie monatelang nicht sieht, um sich hier ein Zubrot zu verdienen. Eine andere Afrikanerin balanciert eine riesengroßen Kopf mit Schmuck und Tüchern auf ihrem Kopf, während sie auf dem Rücken ihr Baby mit sich trägt. Unglaublich! Und wie scheinbar heiter und gelassen sie mit ihm schreitet….

Dann ist da noch der Kokosnussverkäufer/ il cocovendolo Toni (Antonio) aus Neapel. Der gefällt mir ganz besonders. Er läuft mit seinen 2 Eimern so blitzschnell über den Strand, dass selbst wenn man Kokosnüsse haben wollte, Schwierigkeiten hätte ihn anzuhalten bzw. einzuholen. In einem Eimer befinden sich riesengroße grüne Plastikblätter und die halben Kokosnüsse, im Anderen ist Wasser, um sie abzuspülen. In der Hand hält er neben dem Eimer außerdem noch eine Kinderfahrradtröte. Man hört ihn schon von Weitem, nicht nur wegen dem permanenten Gehupe sonder auch durch seine lauten Rufe (besonders angenehm wenn man gerade in sanfte Traumwelten abzudriften gedenkt). Ein pisolino/ ein Schläfchen zu machen ist, zugegebener maßen, sowieso selten der Fall wegen des ansonsten vorkommendem Ökolärms am Strand: Schreiende Kinder, „redende“ Italiener, Babydancemusik und weitere unzählige Strandverkäufer. Ja, was so ein waschechter Neapoletaner ist, der verschafft sich Gehör! „Cocobello cocofresco“/ schöne Kokos, frische Kokos schallt es seit vielen Jahren über den Strand. Dieses Jahr beweist er aber besonders viel Fantasie, der Spruch hat sich erheblich erweitert: Cocobello cocofresco coco Chanel! Und dann ruft er weiter „Non spingetevi, non affolatevi, c`é ne per tuttiiii“, schupst euch nicht, drängt Euch nicht, es ist für alle etwas da. Oder „stressate le vostre mamme che volete cocobello cocofresco“, nervt Eure Mammas solange bis sie Euch Kokosnüsse kaufen.

Schafft man es denn wirklich mal, ihn anzuhalten, dann schält er mit so erschreckender Geschwindigkeit und superscharfem Messer das Kososmark aus der Nuss, das einem Angst wird. Mit Sicherheit muss sich bei so viel Fahrigkeit  gleich rotes Blut mit weißer Kokosnuss vermischen. Doch alles geht gut und wir knabbern zufrieden. An den Geschmack muss man sich erst gewöhnen, denn man assoziiert automatisch beim Erwerb, dass sie nach Bounty schmecken müsste, tut sie aber nur mit ganz viel Fantasie.
Tja und natürlich wird am Strand auch Eis verkauft. Die ruspa kündigt sich schon von Weitem durch laute Discomusik an. Das ist ein Raupenfahrzeug mit Eiskühltruhe darauf, die etwas vor sich hinstinkend, geschoben wird.

Und dann gibt es noch die Bauchladenverkäufer mit ihren Eistruhen. Letztens hat man doch einige Strände weiter einen ebensolchen direkt vom Meer weg verhaftet! Einen armen Eisverkäufer, un povero gelataio? Weit gefehlt! Das war ein berühmtes Mafiamitglied, seit Jahren untergetaucht, in diverse große Drogengeschäfte verwickelt! Und verkauft ausgerechnet am Strand von Rosignano gelati/ Eis! Und wie ist das Ganze aufgeflogen? Der gute Mann hatte ein Tattoo am Bein, das ihn eindeutig zu einer Mafiaorganisation zuordnete, und hatte kurze Shorts an! Da nützte ihm auch nicht, dass er seinen üppigen Haarwuchs durch Glatze mit rotem Kopftüchlein ersetzte (war ein hübsches Foto in der Zeitung) und den Bart abrasierte. Zehn Polizisten verkleideten sich ebenfalls als Beachboys in Bermudashorts und nahmen den Boss kurzerhand vor den Augen der verwunderten Strandgäste fest. Kein Eis an diesem Tag/ niente gelato quel giorno. Vielleicht auch besser so, wer weiß was in der Eiskiste noch so alles drin war, oder im Eis?
Isses nicht nett? So etwas gibt es doch nur in Italien?

Der nächste beliebte Verkäufer bei uns am Strand/ sulla spiaggia ist Pole und er verkauft „bomboloniiii, ciambeleeeee, donuts“.
Bomboloni sind eine Art Berliner oder Pfannkuchen und die gibt es leer oder mit Cremefüllung oder mit Schokolade. Ciambele ist der gleiche Teig, würde ich mal sagen, aber es sind Pfannkuchenringe und Donuts ist klar…


Heute ist unsere nonna mit am Strand, die Oma. Sie gibt mir erstmal die Weisheit ihrer Mutter mit: Kauf nie was bei den Schwarzen, die bringen nur Infektionskrankheiten mit. Hm, habe ich noch nicht bemerkt, kaufe trotzdem weiter. A) haben sie tolle Sachen und b) hilft es ihnen, zu überleben. Die Meisten haben Familie und Kinder. Und einige, wie z.B Salim mit seinen 52 Jahren, der mir ein nettes Täschchen verkauft, haben bis zu 3 Ehefrauen und 6 Kinder. Oh je, wie machen die das bloß? Ich habe schon mit einem Mann so meine Probleme, aber das Ganze x 3? Wahrscheinlich sind 3 Frauen pflegeleichter als 3 Männer? Falla frage ich daraufhin aus, hat nur 2 Ehefrauen, eine hier und eine im Senegal. Ein anderer junger Strandverkäufer meint, ne, er sei ja in Italien aufgewachsen, sei ein moderner Senegalese und hätte nur eine Frau.  
Nun, unsere Tage hier am Meer gehen zu Ende, i nostri giorni al mare finiscono. Am Montag fängt die Schule für die Kleinen an, am Mittwoch wohl für den Großen. So genau weiß ich das noch nicht, aber das wird sich schon noch rumsprechen. Sind ja in Italien und so langsam habe ich mich daran gewöhnt, in den Tag zu leben und ich muss nun eine Woche vor Schulanfang nicht mehr so genau wissen wann Selbige nun anfängt. Sie wird anfangen, so viel steht schon mal fest und das reicht, entsprechende Melancholie eingeschlossen nach so einem schönen Sommer.

Die letzten Einkäufe werden erledigt, die Tage nach 2 ½ Monaten von früh bis spät in Badesachen und Badelatschen sind gezählt, noch eine Crema al caffé getrunken, das Tanzbein nach lateinamerikanischen Klängen geschwungen, noch einmal 3 Stunden auf die Kinder wartend an den Hüpfburgen ausharrend, ein letzter rotglühender Sonnenuntergang am Meer, ein Glas Rotwein im Pinienhain, nella pineta.
Addio estate! Sommer ade!

Naja, auch morgen sollen wieder 29 Grad werden und die Sonne scheinen, ein Weilchen wird er wohl noch anhalten und uns zum „O sole mio“ singen verleiten J.

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