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Nun, letztens beim
Gästetreffen (das mache ich immer dienstags mit meinen neu angereisten
Ferienwohnungsgästen) kam die Frage: „Wie gut hast Du Dich denn eigentlich in
den 13 Jahren hier integriert?“. Hm, gar nicht so einfache Frage, etwas
zögerlich kam demzufolge die Antwort.
Da es nicht mein
Traum war, non era il mio sogno, hierher auszuwandern, hadere ich manchmal noch ein ganz kleines
bisschen damit, auch wenn ich mir wirklich kein besseres Leben als hier vorstellen
kann. Mit meiner Arbeit habe ich meine wahre Berufung gefunden, zu der ich in
Deutschland nicht gekommen wäre. Ich habe fantastische Arbeitszeiten, bin mein
eigener Herr und habe stets wundervolle Menschen um mich, für die ich etwas tun
kann. Als romantischer Mensch hüpft mein Herz täglich vor Freude, wenn ich die
herrliche Landschaft sehe. Meine Kinder kann ich in Ruhe großziehen. Was will
man mehr?
Integriert habe
ich mich sicher bestens aber ich denke, ich werde trotzdem immer „die Deutsche“
bleiben. Immerhin grüßen mich hier alle mit meinem Namen und reden nicht über
mich als la tedesca/ die Deutsche. Meine Arbeit wird sehr geschätzt und viele
Schwätzchen hält man im Dorf zusammen. Lange hat es gedauert, ehe ich
akzeptiert wurde und in meinem jetztigen Dörfchen, nochmal um einiges kleiner
als Lari, wird das wohl bei Einigen auch noch eine Weile dauern. Das braucht
Zeit, von beiden Seiten.
Meine Probleme
mit der katholischen Kirche sind dem Leser schon bekannt und was die Regierung
so anstellt, kann man mit deutschen Genen nur schwer nachvollziehen, und was es
mit der Liebe zu Berlusconi auf sich hat, schon gleich gar nicht. Einige Sachen
werden mir hier immer ein Rätsel bleiben. Einiges versuche ich zu verstehen und
bei anderen gebe ich mir erst gar keine Mühe, denn es liegt zu fernab von dem
was ich begreifen könnte.
Mode und Schönheit/la bellezza: Italiener sind meistens
sehr, sehr schick gekleidet und achten wahnsinnig auf ihr Äußeres. Das fällt
mir sehr angenehm auf, auch wenn ich meine, dass man zwar Wert auf sein Äußeres
legen, aber es auch nicht übertreiben sollte. Nun, doch auch da passe ich mich
an, zum Beispiel mit den Friseurbesuchen. Bis ich 35 wurde war ich circa 10 Mal
insgesamt beim Friseur, in den letzten Jahren wohl um die 15 Mal und, man
stelle sich vor, ich tendiere zu der Überlegung, so wie alle Italienerinnen,
einmal pro Woche zum Friseur zu gehen. Die meisten kommen sogar 2 Mal die
Woche, sagt Cristina, meine Lieblingsfriseuse, und sie gehen so weit zu sagen,
vertraut sie mir an „togliete mi tutto ma non la parucchiera“/ nehmt mir alles,
aber nicht meine Friseurbesuche.“. Dies zum Thema Übertreibungen, aber
wer weiß, wie ich in 10 Jahren darüber im Sinne meiner Italianisierung denke
;-)...
Cristina hat
neben ihren gut besuchten Friseurladen in Lari, wo auch „meine“ Bräute immer so
wundervoll gestylt werden, nun noch einen kleinen Laden in Casciana Alta
eröffnet. Da bin ich mit ihr allein und wir können herrlich quatschen.
Natürlich geht es um unsere Männer und darum, wie schön es doch wäre wenn sie
ein bisschen romantischer wären! Italiener sind
doch romantisch! Gli italiani sono cosí romantici! Neeee, wer hat das
wohl in die Welt gesetzt. Hm, das war wohl der Eros Ramazzotti. Keine Ahnung
woher er seine Texte nimmt aber mit der Realität hat das wenig zu tun. Immerhin
läßt mich mein Mann gewähren, wenn ich jeden Tag beim Essen mein Kerzlein anzünde,
oder die warmen Nächte im Garten und unsere Feste dort mit Windlichtern,
Fackeln und Kerzen gestalte. Auf die Idee Gleiches zu tun, ist er noch nicht
gekommen.
Seit Jahren
versuche ich mit mehr oder eher weniger Erfolg, ihn dazu zu bringen, mir doch
das Wein- oder Wasserglase zu füllen, wenn es sich seinem Ende neigt, oder mir
die Tür nicht vor der Nase zufallen zu lassen, wenn ich hinter ihm eintrete. Wenn
ich ihn vorher daran erinnere klappt das immerhin schon ganz gut. In die Jacke
helfen oder Autotür öffnen? Einen romantischen Abend vorbereiten? Ne, denkste.Nun, dann muss ich eben lernen, selbst an mich zu denken. Ich beschließe, einen Yogakurs anzufangen, falls der zu ruhig wird einen Zumbakurs und eben auch mal was für die bellezza zu tun, für die Schönheit.
Cristina föhnt ewig an mir herum und das Ergebnis kann sich wahrhaft sehen lassen. Mal sehen, ob es Deinem Mann auffällt meint sie, und hält mir die Tür beim Herausgehen auf.
Mein Mann spielt
mit den Kindern Karten als ich nach Hause komme. Ich ertappe mich bei dem absurden
Gedanken er möge das Spiel unterbrechen und mit ausgebreiteten Armen auf mich
zukommen, laut rufend „oh, come sei bella/ wie schön Du bist.“ Stattdessen
schaut er nur kurz auf und.... kein Wort. Naja, mache ich mich also im Haushalt
zu schaffen. Und dann doch, nach einer halben Stunde gibt er mir immerhin ein
Küsschen und meint mit leiser Stimme im Vorbeigehen„Hm, sei bella così“/ Du bist
hübsch so.
Na, wer sagt es
denn.
Und, frage ich
mich und auch ihn später: Wäre es mir vielleicht lieber wenn er ein Macho und
Draufgänger wäre, dafür sind sie ja doch berühmt, die Italiener, und das kann
ich bestätigen. Wie z.B. der Nachbar, Vater dreier Kinder, der mir letztens im
Gemüsebett hinterher stieg, mit lüsternen Blicke ausrufend „ma coooome sei bellaaaa“
. Schnell versuchte ich das Thema auf die Tomaten zu lenken während ich verlegen
die Farbe der Selbigen annahm. Nach den vielen Jahren hier sollte ich mit so
viel Direktheit anders umgehen gelernt haben... Minuspunkt.
Immer noch in
Verlegenheit bringt mich auch der Fleischer (schon bestens bekannt aus meinem
Buche, ja, ja, der, der mir den dicken Schinken über die Theke geschoben
hat...) der nach 13 Jahren immer noch voller passione/
Leidenschaft ausruft wenn er mich mal allein im Laden antrifft „Ma che bell corpo hai/ was hast Du doch für einen schönen
Körper!“. Woher er das wohl wissen will, ich stehe doch nicht nackend im
Fleischerladen. Die Situation ist grotesk, er hat Familie, Kinder und
Enkelkinder und macht sich in seinem Alter echt lächerlich/ fa proprio ridere!
Ich muss mir
verkneifen, loszuprusten, gleichzeitig ist mir das ziemlich peinlich und macht
mich auch ungeheuer wütend. Eine passende Antwort fällt mir nicht ein und so
bestelle ich schnell meinen Schinken. Dagegen finde ich die Bauarbeiter, die
mir hinterherpfeifen „ciao, donna stupenda/ hallo wundervolle Frau“,
wiederrum nett. Das verschönt einem doch echt den Tag mit über 40 (jetzt
schummele ich ein bisschen).Aber tauschen möchte ich sie alle nicht gegen meinen Mann und vielleicht, vielleicht kann sich ein Mann doch auch ändern...? Hihi, ja, ich weiß, war nicht ernst gemeint J. Kleiner Spaß am Rande.
Ich werde trotzdem öfter zum Friseur gehen, für mich, ja, und auch für den besten Ehemann der Welt/ per il migliore marito del mondo.
An Eines kann ich
mich gar nicht gewöhnen, an den lauten Umgangston, der meistens recht agressiv
anmutet, und an die vielen Schimpfwörter/ le parolacce, die man hier gern
verwendet und die meinen Ohren doch immer wieder erhebliche Schmerzen bereiten.
Ja, ja, und die
Pünktlichkeit/ la puntualitá... Ich ertappe mich immer noch dabei, dass
ich um 5 nach 6 auf die Uhr schaue und mich frage wo die Gäste bleiben, die ich
für um 6 eingeladen habe. Kompletter Quatsch, denn sie werden vor 18.30
tendenziell nicht erscheinen. Da hat man genug Zeit, alles piano piano/ ganz langsam zu machen und ordentlich
vorzubereiten.
Und an Vieles
habe ich mich natürlich gut und gern gewöhnt: An den traumhaften Blick aus dem
Fenster auf die sanften Hügel, Olivenhaine, Zypressen, auf das valle d`oro,
das goldene Tal, an das Meer, das nur eine halbe Fahrstunde durch
selbiges schöne Tal entfernt liegt, an die unzähligen Kunst – und
Kulturschätze, die man nach vielen Jahren schon fast für selbstverständlich
hält. Etruskische Fundstücke beim Graben im eigenen Haus, jahrhunderte oder
jahrtausende alte Mauern, da ein Bein eines Pferdes aus römischer Zeit, eine
millionenjahre alte Austernmuschel im Garten... das was in Deutschland
Begeisterungsstürme auslösen würde, hier ganz normal....
Ja, und natürlich
das Essen, daran habe ich mich ganz schnell gewöhnt. Ich weiß wieder was ich
esse, weiß woher es kommt, kann mich darauf verlassen, dass es gesund ist.
Pasta aus der Nudelfabrik in Lari, Fleisch und Wurst vom Fleischer, der seine
Tiere noch selbst aussucht, Biogemüse vom Feld, Käse von den Schafen die im
Valle d`oro unter meinem Fenster grasen... das ist ein Riesenstück
Lebensqualität, die ich nicht mehr missen möchte. Aber klar, auf die Thüringer
Rostbratwürstchen (lieben Dank nochmal Bärbel und Frank!), Quark, Minisalamis,
Bambina & Nudosi... darauf würde es mir auch schwer fallen, zu verzichten.
Der Geschmack der Kindheit eben....
Frühstücke ich noch ausgiebig, so wie es eine Deutsche normalerweise tut? Nein, da bin ich auch italienisch geworden. Ich sage immer „wenn man wie abends wie ein Italiener ißt, kann man nicht frühstücken wie ein Deutscher“, das schließt sich praktisch aus. Vielleicht hält man das noch ein paar Tage im Urlaub durch aber dann wird der Magen protestieren und die Anzeige der Waage in die Höhe schnellen.
Ein mehrgängigs Menü abends nach 8 und morgens schon wieder dick belegte Brötchen mit Salami und Schinken, ein Ei dazu, Kaffee und Kuchen? Das gibt es bei mir nur noch sonntags und dazu versuche ich auch meine Familie seit Jahren mit mehr oder weniger Erfolg zu erziehen. Unter der Woche trinke ich morgens einen Kaffee (nein keinen Italienischen, sondern einen schönen deutschen Filterkaffee J) oder einen im Garten selbstgepflückten Pfefferminztee und erst gegen 10 gibt es ein Salamibrot. Wie wir denn Aufschnitt und in welcher Quantität schon zu Frühstück verspeisen können, das versetzt die Italiener doch immer wieder in Erstaunen. Nein, das käme für sie auf keinen Fall infrage. Morgens auf die Schnelle un café/ einen Espresso, gern im Stehen getrunken und gegen 10 ein süßes Blätterteigteilchen/ una pasta a sfoglia oder ein Stück Schiacchiata/ belegtes Fladenbrot oder auch ein tramezzino/ ein dreieckiges ganz weiches Brot, gern mit Thunfisch oder Schinken belegt, das kommt gut an.
Und mir fällt
auf: Wein trinkt man in italien nur zum Essen. Ziemlich unwahrscheinlich, das
man sich nach dem Essen mit einem Glase gemütlich hin setzt. Und es wird (oder
verkehre ich in den „falschen“ Kreisen“) viel weniger getrungen, zum Essen halt
und dann ist Schluss. Die Betrunkenen, die ich hier in all den Jahren gesehen
habe, kann ich an einer Hand abzählen.
Ganz wichtig natürlich: Die Siesta, ein Muss! Viele haben lange Mittagspause und verbringen sie beim gemütlichen Essen und anschließendem Ausruhen zu Hause. Danach wird dann wieder bis gegen 9 gearbeitet. Bei den sommerlichen Temperaturen ist die Siesta einfach eine überlebenswichtige Einrichtung, die ich nicht mehr missen möchte. Dafür sind die lauen Nächte umso länger.
Haha, reingefallen, das ist ein Nachtfoto. Die zwei sind die Einzigen die natürlich KEINE Siesta machen. Sehr zur Freude Ihrer Mamma!!!
Und noch eine Wandlung stelle ich bei mir fest. Ich beginne mit Fensterläden zu liebäugeln. Fensterläden waren mir immer wie ein Dorn im Auge. Voller Unverständnis starrte ich oft die italienischen Häuser an, die sommers wie winters verrammelt sind. Wie herrlich ist doch die Sonne, das toskanische Licht und wie kann man nur permanent im Dunkeln leben? Kommt man zu Schwiegermamma, klar, ist es dunkel, dass man die Hand kaum vor der Nase sieht. Gut, Hauptsache das Essen sieht man und wenn man es nicht sehen würde weiß man ja trotzdem was es gibt, Pasta al pomodoro und danach Hühnchen, immer noch (meine Buchleser kennen die Geschichte...) Langsam, ganz langsam, nach so manchem mit Schwitzen verbrachtem Sommer, erschließt sich mir der Sinn der Fensterläden und ich überlege weiß Gott, unser Haus zumindest auf der Sonnenseite mit dieser doch durchaus sinnvollen Einrichtung zu versehen. Aber Eines werde ich mit Sicherheit nie tun, sie im Winter schließen! Oder vielleicht doch? Wenn ein Gewitter kommt, wie heute Nacht, dann könnte ich sie zumachen und es würde mir nicht das Regenwasser durch die doch recht neuen Fenster drücken. Sind halt italienische Fenster aber mit italienischen Fensterläden könnte man das Problem durchaus lösen. Warum einfach wenn es umständlich geht?
In Einem bin ich
ganz und gar italienisch geworden und da geht es sozusagen um Leben und Tod:
Das Betreten von Zebrasteifen nur wenn man alle Autos hat fein vorbei fahren
lassen. Was ansonsten ziemlich schnell passiert musste mein lieber Fausto vom
Weingut probieren. Er ist ohne zu schauen in Pisa (wo man ja Touristen doch gewöhnt
sein dürfte) über einen Zebrastreifen gegangen und ein Taxifahrer (der doch
auch Touristen gewöhnt sein müsste) hat ihn über den Haufen gefahren. Er hat
Glück gehabt, nach ein paar Tagen Koma durfte er frisch geflickt in den
italienischen Alltag zurück kehren. Diesen Tipp sollte man sich also auch als
Hobbyurlaubsitaliener ganz schnell zu Herzen nehmen und er steht auch ganz dick
und fett in den Anreiseinformationen, die meine Gäste vor ihrem Urlaub
erhalten.
Da macht es doch
gar nichts, dass ich nun in Deutschland gewöhnheitsmässig auch am Zebrastreifen
stehen bleibe und die Autofahrer freundlich anschaue, die natürlich brav
anhalten. Nach ein paar Sekunden schnalle ich das Ganze dann und tappe mit
einem dümmlichen Grinsen und Ah-Winken über die Straße. Aber was ist ein
bisschen Peinlichkeit und ein paar Sekunden gegen einen schnellen Tod auf einer
italienischen Straße. Nix, niente.
So, ganz lau sind
die Nächte mit 15° nun nicht mehr aber wir werden den heutigen Pizzaabend bei
Fausto sicher das letzte Mal auf der Terrasse verbringen. Meine Gäste haben
darauf bestanden nochmal draussen zu essen und Fausto hat, nach jahrelanger
Angewöhnungsphase, nur noch leicht die Augenbrauen hochgezogen und dann
zugestimmt. Ein Italiener würde bei diesen Temperaturen NIE draussen essen wo
er doch schon im Hochsommer das klimatisierte Restaurant einem Essen im Freien
vorzieht. Und Pizza, klar, daran kann man sich gut gewöhnen. Bei Fausto ist sie
fantastisch und besonders die Nutellapizza, meine Idee, klar, kommt gut an.
Die beste Pizza der Welt macht natürlich mein Mann :-) - la pizza migliore del mondo fa certo mio marito
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