Dienstag, 27. November 2012

Bilderbuchgeschichte Carrara - giornalino illustrato di Carrara

Heute habe ich eine Bilderbuchgeschichte für Euch. Wir waren, wie wir das mindestens 1 Mal pro Jahr und liebend gern machen, in den Marmorsteinbrüchen von Carrara.

So beeindruckend und schön....

Während "unten" 18° und Sonne waren, war es doch hier oben schon empfindlich frisch. Zum Glück hatte ich gestern Mützen gekauft...
Wir besuchten Davide und Mara. Ihnen gehört das Restaurant hier oben in dem Marmorsteinbruch in Carrara-Fantiscritti.


Einige von meinen Gästen haben sie kennen gelernt, denn sie waren hier oben zur Jeeptour und zur Lardodegustation. Lardo? Na? Ja, das ist der, in Marmorbehältern mit feinen Gewürzen 6 - 7 Monate gelagerte Bauchspeck/ il lardo, der so hauchzart wird... eine unglaubliche Delikatesse. Diesmal interessiert mich aber eher was an den Mafiageschichten dran ist, die über Carrara in der Zeitung stehen aber Davide und Mara meinen, das wäre Quatsch, hier arbeiten nur "Carraresi", Leute aus Carrara und die sind anständig, keine Ausländer, keine krummen Geschäfte.
 
Und dann will ich nochmal wissen wie es zu dem Namen Fantscritti kam. Ja, ja Davide, das hast du in diesem Jahr schon 100 Mal deinen neugierigen Touristen erzählt, bitte erzähl es mir nochmal, raccontamelo ancora:

 
 
 
Na, italienische Zeichensprache verstanden?
Also gut, ich übersetze mal :-), via, ve lo traduco:
 
Um die Zeit 200 v. Chr. wurde ein Relief an einer sehr unzugänglichen Wand hoch oben in den Carrarabergen geschaffen. Es stellte Jupiter/ giove und oberste Gottheit der Römer, Hercules/Ercole, griechischer Orakel-gott und Bacchus/ der griechische Gott des Weines und Rausches dar. Genannt wurden sie umgangssprachlich unter den Steinbrucharbeiten einfach nur "i fanti", was so viel wie die Jugendlichen bedeutet. Darunter brachten berühmte Steinbildhauer wie Canova, Gianbologna und auch Michelangelo ihre Unterschriften /scritte/scritture  an. Wenn man also von dem bedeuteden Relief sprach sagte man einfach "da oben, bei den Fantiscritti" und daher hat der Steinbruch also seinen etwas ungewöhnliche Namen. Wo genau Michelangelo seinen Marmor geschlagen hat weiß man nicht, aber da er auch unter dem Relief unterschrieben hat, geht man gern davon aus, dass es in diesem Steinbruch/ in questa cava war. Der Nachbarsteinbruch behauptet allerdings das Gleiche....
 
 
Gleich hinter dem Restaurant am Parkplatz entdecken wir eine Skulpurenwerkstatt:
 
 
Nun, die Skulpturen sind etwas eigenartig, oder was meint Ihr?
Diese hier ist aus nailon/ Nylon. Das ist ein Modell...
 
 
Diese hier ist immerhin aus Marmor, aber naja...
 
 
Diese hier ist auch aus Marmor aber noch mehr naja, naja, naja...
Was wohl die alten Meister dazu sagen würden?
 
 
Diese hier ist doch endlich ganz hübsch, oder?
 
 
Nun zieht es uns nach Carrara, in die Stadt/in cittá. Sie liegt eingebettet in die Marmorberge und zieht sich bis zum Meer hin.
 
 
Carrara ist eine richtige Arbeiterstadt, überall Marmor, Marmor, Marmor. Hier wohnen die Leute, die in den Steinbrüchen arbeiten und das sieht man und das gefällt mir/ e sí che mi piace. Alles ist etwas gröber, schmuddeliger, aber auf das Wesentliche beschränkt, überall Kunst, Handwerk und offene Werkstätten.
Wir geraten in die Via Carriona, die sich an einem Fluß entlang schlängelt.
 
 
Da werden meine Kinder beinahe aufgefressen:
 
 
Nachdem ich das verhindert habe, finden wir lauter Werkstätten, einen fabbro/ Schmied, 2 falegnami/ 2 Schreiner und einige Skulpturenwerkstätten.
 
 
Wir stolpern in die Werkstatt von Riccardo Vanelli hinein. Filippo, neugierig wie sein Papà, fragt was er denn da so mache. Er arbeite gerade an einem Grabrelief und meint, wenn die Kinder etwas Interessantes sehen möchten, dann hätte er etwas für sie. Sprach`s und verschwand in einer niedrigen Tür auf der anderen Seite der Straße in einem Gewölbe, das wohl vor 5 Jahrhunderten eine kleine Kirche und später eine Mühle war.
 
 
Ein Mosaik/ un mosaico am anderen, ein Kunstwerk/ un opera d`arte neben dem anderen, Tischplatten, Fußbödeneinlegearbeiten, Skulpturen, Reliefs. Nebenan hört man das Flüßlein säuseln, das sich noch vor 2 Wochen in einen reisenden Strom verwandelt hatte. Auch diese Werkstatt stand leicht unter Wasser. Aber das war kein Vergleich zu der Überschwemmung/ l`alluvione von 2003. Seht Ihr oben an der Wand die braune Linie? Bis dahin kam damals das Wasser und es schoß durch die offenen Fenster hinein mit so einer Wucht, dass alle noch so schweren Marmorplatten umgeworfen wurden und zerbrachen. Und dieser Mann hier neben mir lächelt/ sta sorridendo während er das erzählt. Nun, ich war ja auch für ein paar Monate marmista/ Steinmetz in Deutschland. Was es bedeutet, so ein Mosaik herzustellen, weiß ich...

 
Aus unserer ausgiebigen Stadtbesichtigung wird heute nichts, wir haben uns mal wieder festgequatscht. Mit 2 chiacchieroni/ Quasselstrippen in der Familie (Filippo & Papá) kommt man meistens nicht sehr weit. Filippo wird von seiner Lehrerin suocerina/ Schwiegermama genannt (die scheinen hier dafür sprichwörtlich bekannt zu sein, dass sie viel reden, kann ich auch durchaus bestätigen), wegen seiner nicht zu bremsenden Erzählfreudigkeit.
 
 
Das rechts ist Riccardo Vanelli`s Werkstatt, aneinandergereiht mit vielen anderen Gewerben, richtig urig.
 


 
Klar, hier wohnen die Steinbrucharbeiter. Sieht man doch, oder?
 
 
Immerhin schaffen wir es noch, über ein paar hübsche Gassen zum Dom zu gelangen, der muss sein, klar. Dort finden mein Mann samt Sohn ihr nächstes Opfer namens Charlie. Nein so heißt er nicht richtig, aber alle nennen ihn so.
 
 
Charlie ist der Organist vom Dom und spielt gerade ein deutsches Lied. Romantisch wie mein Mann ist (mehr Geschichten dazu in meinem Buch) hat er das Lied vielleicht gerade für mich als Überraschung bestellt?

 
Die Kinder sind jedenfalls hin und weg und bekommen sofort ihre erste Orgelstunde, unglaublich nett, sie hören gar nicht wieder auf, zu spielen:
 
 
Eins steht fest: Hier kommen wir bald wieder her/ ritorneremo presto!
 
 
Der Dom von Carrara/ il duomo di Carrara

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