Montag, 12. November 2012

La nostra serata libera – unser freier Abend

Nun, gerade oft kommt es nicht vor, dass wir einen kinderfreien Abend haben. Wegen der ersten Party unseres 15-Jährigen wurden wir ja am letzten Samstag aber vor die Tür gesetzt. Ich zog es auch vor, mich davon zu machen denn unwillkührlich erinnere ich mich daran, mich welch` mulmigen Gefühlen ich früher solche „Partys“ besucht habe. Als ich raus gehe (mein Mann Riccardo verläßt das Haus mal lieber durch die Nebentür) sitzen die Mädels aufgefädelt im Dunkeln auf der Couch im Wohnzimmer, während die Jungs im Garten, herum albern und ja, vermutlich rauchen (meiner natürlich nicht...). Ne, da gehe ich mal lieber schnell.

Eines unserer Lieblingsrestaurants, das Sapore d`oriente in Casciana ist schon ausgebucht, sage einer es gebe Krise/la crisi hier, und so wollen wir eine Osteria ausprobieren, die bei uns ums Eck ganz neu aufgemacht hat. Sie war uns aufgefallen, weil sie eine Leuchtreklame außen angebracht hatte, die weit ins Tal blinkte. Man sieht das Haus, so wie unseres auch, so auf eine Entfernung von 30 Kilometern wenn man durch das goldene Tal/ il valle d`oro Richtung Hügel fährt.

Schau mal, meinte Felix letztens als wir vom Meer kamen, da ist was passiert, da steht eine Ambulanza/ ein Rettungswagen. Aber nein, es war nur die besagte Leuchtreklame des Restaurants, erkannten wir beim Näherkommen.

Wir treten also ein und befinden uns in einem herzallerliebst hergerichteten Raum, dunkelrot getünchte Wände, Blumen, Kerzen, ein Kamin, in dem ein lustiges Feuer brennt, nur circa 12 Plätze, wirklich kuschelig und lauschig, wenn da nicht... ja, wenn da nicht der Fernseher wäre.

Wenn ich eines nicht mag, so ist das ein laufender Fernseher beim Essen und wenn man sich nett Unterhalten möchte! Zunächst wird uns aber das Menü vorgetragen. Es gibt hier keine Karte sondern ein festes Menü. Das klingt ganz wunderbar aber eben auch sehr opulent, antipasti, 1. Gang, 2. Gang und dolce... ja, leicht wie eben so ein italienisches Menü am Abend ist....

Wir bleiben schon allein weil ich keine Lust habe, weiter zu suchen, ich habe einfach nur Hunger und möchte Ruhe. Ähm... ja klar stelle ich bevor wir uns setzen noch eine Frage. Welche wohl? Ja doch, ob man denn den Fernseher ausmachen könne. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass es sich um eine Sendung wie „wer wird Millionär“ handelt. Nun, sagt mir der freundliche Besitzer, man könne ihn leiser stellen... Das ist eine Antwort die mich nur mässig zufrieden stellt, aber gut. Wir setzen uns gemütlich an einen kleinen Tisch, ich wohlweislich mit dem Rücken zum Fernseher, bewundern die Dekoration und lassen Auftischen. Der Selbige läuft, unüberhörbar...!

Nun, wer mich kennt, weiß auch um meine Dickköpfigkeit, die manchmal zu guten Erfolgen aber manchmal auch zu gestressten Mitmenschen führt. Prego, si potrebbe accendere un po`di musica per piacere/ ach bitte, könnten Sie vielleicht ein bisschen Musik anstellen. Wäre doch nett in diesem so überaus romantischen Ambiente nun noch so feine italienische Musik zu hören....

Hätte ich nur nichts gesagt und meine vorlaute Klappe endlich mal gehalten!

Na schauen wir mal was passiert, das verspricht interessant zu werden. Der Besitzer holt aus seinen Privaträumen eine kleine Ministereoanlage und schaltet... nein nicht etwa eine schöne CD ein (Vivaldi, Ramazzotti, Zucchero, Lucio Dalla?) ein, nein, weit gefehlt, das RADIO! Kennt Ihr italienisches Radio? Nein? Nun ich würde fast sagen, besser so! Ja? Ja, klar, dann wißt Ihr auch, dass auch die allerschönste Musik aller 5 Minuten mit schriller Stimme herausgeschriene Werbung vertragen muss.

Und wißt Ihr was? Der Fernseher lief immer noch, ganz leise versteht sich. Was man so als „italienisch leise“ versteht.
 
 
Typisch italienisch: In der Überschrift das Wort "dramma"/drama und darunter 2 kurzberockte Blondinen, ei fehlt doch nur der.... Berlusconi.... 
 
Mein Mann macht das Übliche, schon aus dem Buch bekannte, er fängt ein Gespräch mit dem durchaus netten aber sehr gesprächigen (Italiener halt) Besitzer an. Ich versuche mich derweilen auf das durchaus äußerst leckere Essen zu konzentrieren während ich hinter mir den Fernseher höre, vor mir das Radio und dazwischen 2 nette Herren, die sich angeregt unterhalten. Im besten Fall singt es im Fernseher und singt es im Radio. Im schlimmsten Falle schreit es hinter mir und schreit es vor mir, ich meine Fernseher und Radio, nein die beiden Männer unterhalten sich nur ganz italienisch normal. Nach einer weiteren halben Stunde weiß ich immerhin alles über Safran (der Besitzer hat eine Vorliebe für indischen Safran), über Fallschirmspringen (130 Mal in 10 Jahren), über den Pool der so nah am Hang gebaut ist, dass er droht, abzurutschen, über das erdbebensichere Bad, über den Fußballclub des Sohnes, über den Papa der seit 40 Jahren in Deutschalnd wohnt, warum die italienische Politik nicht funktioniert aber die Deutsche doch, usw.

Das ist so eine hervorragende Übung in Achsamkeit (ich war doch mal in einem buddhistischen Kloster)! Wenn man das schafft, trotz alldem so genüsslich wie ich seine 4 Gänge (antipasti toscani mit Schinken, Salami, Zuppa di Cavolo/ Kohlsuppe, 1. Gang Bandnudeln mit Steinpilzen/ tagliatelle ai funghi porcini und Nudeln mit Wildschweinragout/ pasta al ragù di cinghiale, 2. Gang Wildschwein/ cinghiale (gejagt und erlegt im Tal vor unserem Haus), dazu hauseigener Wein/ vino della casa der vor meinem Fenster wächst, da wir ja Nachbarn sind, Dolce Napfkuchen/ ciambella und Café) zu verspeisen, dann ist man sozusagen so etwas wie erleuchtet. Mit vor Stolz geschwellter Brust verlasse ich das Restaurant. Hier werden wir wieder einkehren und meine Feriengäste werden das Restaurant bald unter ihrem Geheimtipps finden. Im Sommer hat es um die 30 Freisitze und man wird doch hoffentlich nicht auf die Idee kommen, draussen einen Fernseher zu installieren, oder???

Es war ein schöner Abend, netter Platz, nette Leute. Und er ist natürlich noch nicht zu Ende denn wir sollen ja (hat mein Sohn gesagt) Tanzen gehen/ andare a ballare. Also geht es trotz praller Bäuche und bleierner Müdigkeit  in ein blaues Riesenzelt bei Pontedera zum Standarttanz & Lateinamerikanisch/ ballo liscio e latino.

Heute spielen da Claudio e le creme caramel, lese ich auf dem Plakat. Ja auf deutsch klingt das nun wieder nicht so romantisch, Klaus und die Karamellcreme.  Ja, und genauso ist die Musik, auch wenn Klausi sein Bestes gibt, aber da wir nun schon mal hier sind amüsieren wir uns was das Zeug hält, Alter so ab 55 aufwärts. Wobei man doch dazu sagen muss, dass sich auch 60-jährige noch ganz gut in Miniröckchen und Highheels pressen können. Ich habe weder das eine noch das andere an, für das eine ist es mir zu kühl und mit den anderen überrage ich die kleinen Italiener haushoch, was ich sowieso auch schon mit flachen Schuhen meistens tue.

Wir tanzen bis meine rechte Kniescheibe streikt. Warum Riccardos rechte Kniescheibe nicht weh tut die ja doch ebensooft beim Tanzen gegen die meinige haut, ist mir wieder ein Rätsel. Nach vielen Walzern, Cha-cha-cha und Salsas mache ich noch die spannende Entdeckung, das man „Knocking on heavens door“ auch als Foxtrott tanzen kann, wirklich interessant.

Gegen halb 3 beschließen wir, Party oder nicht im Haus, dass wir nicht mehr können, wir wollen einfach nur schlafen.  Also fahren wir nach Hause. Riccardo betritt das Haus wieder wohlweislich durch die Nebentür während ich doch einen Blick auf das Geschehen erhaschen will. Hi Guys, grüße ich ganz cool, als ich zur Tür herein komme. Ist natürlich quatsch denn Jugendliche sprechen in Italien nur bedingt englisch und Emma, unsere Austauschschülerin ist ja schon im Bett. Auf dem Sofa lungern noch 5 Jungs herum, sieht so aus als ob sie Playstation spielen, im Zimmer und in der Küche verteilt Teller vom Abendmahl und Chipskrümel. Ich mache sie höflich darauf aufmerksam, doch aufzuräumen bevor sie schlafen gehen. Morgens sieht allerdings immer noch alles genauso aus und dummerweise geht Riccardo zuerst in die Küche und regt sich höllisch auf. Eigenartiger-  aus Sicht einer Deutschen nicht ganz nachzuvollziehender -weise, meint er, die Mädchen hätten doch aufräumen müssen. Ne, ne, ich bin eine deutsche Mama und da müssen die Jungs genauso ran wie die Mädchen, die in unserem Falle ja sowieso nicht mehr da sind. Wo gibts denn so etwas, dass nur die Mädels aufräumen müssen?

Wiederrum glücklicherweise ist Sonntag und mein Mann geht mit den beiden Kleinen in die Messe. Man hat den beiden Kleinen übrigens Fahrräder versprochen, wenn sie jeden Sonntag das ganze Jahr durch Messdiener machen. Nein nicht mein Mann hat es ihnen versprochen sondern der Pfarrer höchstpersönlich. So kann ich in Ruhe Frühstück machen, denn ich finde es ehrlich gesagt schön, das Haus voll zu haben. Ich mag Jugendliche einfach und wenn sie zuhause sind, sind sie wenigstens nicht irgendwo unterwegs wo ich nicht weiß wo sie sind und was sie machen. Nach und nach kommen sie alle angetrudelt. Sie haben alle oben im Kinderzimmer in den Kinderbetten (Ferrari und BMW) und auf Matrazen geschlafen, die wir auf den Boden gelegt haben. Ja, wer ist denn das? Ah, das 2 Monate alte Dackelbaby Marilù (um korrekt zu sein Dackelcolliebaby) ist auch mit von der Partie/ Party. Sie hat zwischen den Jungs geschlafen und spielt nun mit meinem Gemüse Fußball. Als alle Jungs beeinander habe mache ich sie darauf aufmerksam, dass ich sie gern im Haus habe, sie auch jederzeit gern gesehen sind aber wenn ich ihnen das Haus ordentlich übergebe so möchte ich es genauso vorfinden. Jeder stellt seinen Teller in die Spülmaschine und jeder hilft kurz mit, Minutensache... Nein, sie brummeln nicht als Antwort, sie versprechen es mir. Na fein.

So sieht dann unser Frühstückstisch aus. Ich gebe zu, ich verstecke mein deutsches sonntäglisches Frühstückei und die Salami, werden mit leichter Verwunderung auf dem Frühstückstisch beäugt. Sie  sehen für Itlaiener irgendwie eigenartig aus zwischen Kornflakes, Keksen, Nutella und

 
Die Jungs bleiben noch den ganzen Tag bei uns zuhause während wir zu Schwiegermama`s Geburtstagsparty gehen (dort gibt es, ja, meine Leser wissen es schon, Nudeln mit Tomatensoße und Hühnchen, ja immer noch ;-)). Und als wir abends wieder kommen ist doch weiß Gott alles aufgeräumt. Molto bene/ sehr gut. Ich bin zufrieden, sono contenta.

Nun, mein Sohn will nun öfter solche Party´s geben, er ist offensichtlich auf den Geschmack gekommen, die nächste soll in 2 Wochen stattfinden. Och ne, sage ich, nicht schon wieder tanzen gehen. Nein, brauchst Du nicht, Mama, Ihr könnt ruhig hier bleiben, nur die 2 Kleinen müssen weg.

Na, Leute, kann es ein schöneres Kompliment für eine Mama geben? Man ist so unpeinlich, dass man in seinem eigenen Hause bleiben darf während Teenyparty ist!

Ipp ipp urra, hipp hipp hurra!

 

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